Die Mitglieder der CSU – auf welcher Basis steht die Volkspartei?

Gerhard Hirscher

Eine Partei braucht Mitglieder. Das schreibt nicht nur das Parteiengesetz vor, das entspricht der Logik des politischen Wettbewerbs in einer parlamentarischen Demokratie. Eine Volkspartei braucht sicher noch mehr Mitglieder als eine kleine Partei; das ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, ergibt sich aber auch aus dieser Logik und hat sich im Laufe der Geschichte Deutschlands und Bayerns in den letzten Jahrzehnten immer wieder als Erfolgsfaktor für die CDU und noch mehr für die CSU manifestiert. Die CSU hat dabei über lange Jahre gezeigt, dass es ihr gelingt, relativ mehr Bürger auch durch eine Mitgliedschaft an sich zu binden als die anderen Volksparteien.

Insgesamt ist die Mitgliederzahl der meisten größeren Parteien in den letzten Jahrzehnten eher rückläufig. Dafür sind aber hauptsächlich demografische Gründe verantwortlich, da die großen partizipatorischen Schübe der 1970er-Jahre die damals stark angewachsenen jüngeren Jahrgänge erfasst hatten, die in der Gegenwart quantitativ immer weniger werden. Die CSU hatte Ende 2018 138.354 Mitglieder; das waren deutlich weniger als auf dem Höhepunkt 1990 mit 186.198. Aber CDU wie SPD haben in dieser Zeit deutlich mehr Mitglieder verloren. Die Rekrutierungsfähigkeit (also die Anzahl der Mitglieder gemessen an den theoretisch Beitrittsfähigen) ist in Bayern bei der CSU nach wie vor deutlich höher als bei CDU und SPD in anderen Teilen Deutschlands. Zuletzt sind die Mitgliederzahlen sogar wieder angestiegen. Auch im Vergleich zur CDU steht die CSU nach wie vor gut da: So hatte die CDU in Nordrhein-Westfalen (mit mehr Einwohnern als Bayern) bis 2011 mehr Mitglieder als die CSU; seit 2012 hat die CSU die CDU-NRW überholt. Seither ist die CSU der mitgliederstärkste Teil der Union in Deutschland. In Bayern allein hat die CSU nach wie vor deutlich mehr als doppelt so viele Mitglieder wie die SPD und weit mehr als alle anderen Parteien.

Wer sind die Mitglieder der CSU?

Viele demografische Entwicklungstendenzen in der Gesellschaft spiegeln sich auch in der Mitgliedschaft der Parteien wider. Das ist auch bei der CSU so, was sich auch am hohen Durchschnittsalter der Mitglieder zeigt. In der Basis war die CSU lange Zeit eine typische Männer-Partei. Der Anteil weiblicher Parteimitglieder steigt allerdings in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich an. Diesen Prozess versucht die Partei seit einiger Zeit kontinuierlich zu fördern bis hin zur Einführung von Quoten, auch wenn dies, wie der Parteitag 2019 gezeigt hat, innerparteilich umstritten ist. Man darf aber nicht unterschlagen, dass diese Unterrepräsentation der Frauen bei den Mitgliedern nie zu einer Schieflage bei den Wahlen geführt hat: Ganz im Gegenteil hat die CSU bei Wahlen fast immer mehr Stimmen von Frauen als von Männern bekommen. Die Struktur der Mitgliedschaft überträgt sich also nicht nahtlos in Wahlergebnisse.

Die letzte größere wissenschaftliche Untersuchung unter Parteimitgliedern wurde 2009 veröffentlicht (PAMIS, Universität Hannover, Prof. Dr. Markus Klein). Die deutlichsten Unterschiede zu anderen Parteien zeigten sich bei der CSU etwa in der Konfessionsstruktur, wo 2009 noch 76% der Mitglieder katholisch waren – weit mehr als die 53% bei der CDU und wie mehr als bei allen anderen Parteien. Der Anteil von Mitgliedern mit formal niedriger Bildung war deutlich höher als etwa bei der CDU; der Anteil der Mitglieder mit Studium betrug aber auch schon 41% (in etwa so viel wie bei CDU und SPD) und war damit deutlich höher als bei vergleichbaren Studien 20 Jahre zuvor. Als sehr aktiv oder ziemlich aktiv stuften sich 25% der Mitglieder ein – ebenfalls dasselbe Niveau wie bei CDU und SPD. Es zeigte sich aber bei dieser Studie auch, dass die „kleinen Leute“ insbesondere im ländlichen Raum unter den CSU-Mitgliedern seinerzeit noch sehr stark vertreten waren.

Wie sieht die Basis künftig aus?

Diese Werte können sich in den letzten zehn Jahren verändert haben. Die Sozialstruktur der Mitgliedschaft hat sich höchstwahrscheinlich nochmals deutlich verschoben, vor allem der Anteil an formal höher Gebildeten sowie derer in Berufen außerhalb der Arbeitnehmerschaft oder des landwirtschaftlichen Bereichs dürfte weiter angestiegen sein. Die CSU war über viele Jahrzehnte eine Partei, in der die „Leberkäsetage“ nicht nur in der Wählerschaft, sondern auch in der Mitgliedschaft eine große Rolle gespielt hat. Auch wenn die Mitglieder einer Partei nie das genaue Abbild der Gesamtbevölkerung sein werden, so wird insbesondere eine Volkspartei immer versuchen, diese Veränderungen in der Sozialstruktur zumindest teilweise nachzuvollziehen. So kann die Volkspartei CSU auch künftig gesellschaftliche Debatten in ihrer Breite innerhalb ihrer Mitgliedschaft führen. Daher ist es nur konsequent, wenn sie in den nächsten Jahren versucht, etwaige Defizite zu definieren und falls sie Handlungsbedarf erkennt (etwa bei jüngeren Generationen, Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund), diese auch konsequent anzugehen. Im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts (und erst recht danach) wird die Bevölkerung Bayerns deutlich anders aussehen als noch im ausgehenden 20. Jahrhundert und erst recht wie in den Jahren des Aufstiegs der CSU in den 1970ern. Dies wird sich über kurz oder lang in der Mitgliedschaft der CSU widerspiegeln.

Neue Digitale Ansätze zur Mobilisierung der Mitglieder

In den letzten Jahren hat die CSU auf den Wunsch vieler Mitglieder nach mehr Mitwirkungsmöglichkeiten reagiert. Insbesondere auf die digitale Partizipation wird verstärkt Wert gelegt. So hat die Parteiführung die Möglichkeiten der Mitarbeit über das Internet deutlich gesteigert. Im Leitantrag zur Parteireform für den CSU-Parteitag am 18. und 19. Oktober 2019 waren mehrere Ansätze hierfür enthalten wie etwa die Einführung einer ortsungebundenen Online-Mitgliedschaft. Neben der Gewinnung von Neumitgliedern stand auch die Pflege der bestehenden Mitgliedschaft im Focus: „Die Aktivierung bestehender Mitglieder ist eine schlummernde Ressource, die es zu nutzen gilt.“ Weiter enthielt der Leitantrag mehrere Forderungen, die die digitale Beteiligung der Mitglieder verstärken sollen wie virtuelle Parteitage, elektronische Abstimmungen und Online-Umfragen (https://www.csu.de/common/csu/content/csu/hauptnavigation/dokumente/2019/CSU-Parteireform_Aufbruch_in_eine_neue_Zeit_1411.pdf).

Mittlerweile werden auch regelmäßig elektronische Mitgliederbefragungen durchgeführt, wo sich auch die „einfachen“ Mitglieder ohne großen Aufwand einbringen können. So fand im Mai 2020 eine Mitgliederumfrage zu den Folgen der Corona-Krise statt. In der vorherigen Umfrage vom April 2020 hatten sich laut CSU-Landesleitung über 15.000 Menschen beteiligt, von denen 91% eine verstärkte digitale Parteiarbeit wünschten. Diese Instrumente sollen in den nächsten Jahren kontinuierlich angewandt werden. Auf dieser Basis besteht eine große Chance dafür, dass die CSU auch künftig nicht nur eine mitgliederstarke Partei bleibt, sondern auch eine Volkspartei, die die bayerische Bevölkerung in ihrer Breite repräsentiert.

 

Die letzte größere wissenschaftliche Untersuchung unter Parteimitgliedern wurde 2009 veröffentlicht: PAMIS, Universität Hannover, Prof. Dr. Markus Klein.