Bayern – Europas „Schmuck-Kasterl“ aus der Werkstatt der CSU?

Wolfgang Schüssel

Bayern und Österreich – sie sind durch eine spezielle Sprachfärbung geeint und den gemeinsamen Schicksalsfluss, die Donau. Unsere Länder haben eine zweitausendjährige Geschichte, die bis zu den Römern zurückreicht. Einst ein gemeinsames Herzogtum, seit 1.000 Jahren durch Barbarossas Ostarrichi-Urkunde getrennt. Sie war nicht immer einfach, diese Geschichte und nicht immer friedlich. Wahre Herzländer Europas eben. Verbündet gegen Türken und Hunnen, verfeindet in den Erbfolgekriegen. Dass Bayern an der Seite des französischen Imperators gegen die tapferen Tiroler fochten und unseren Andreas Hofer mit auf dem Gewissen haben, konnten wir lange nicht verzeihen. Aber „Sisi“ hat alles wieder gut gemacht. Im August 1853 hat ein 15jähriges frisches bayrisches Dirndl aus Possenhofen mit seinen blonden Zöpfen – Entschuldigung, natürlich die Herzogin Elisabeth in Bayern – dem jungen Kaiser Franz Josef in Bad Ischl den Kopf verdreht. Übrigens gab es schon vorher 21 Verbindungen zwischen Bayern und Österreich. Kein Wunder also, dass die anderen europäischen Fürstenhäuser misstrauisch wurden.

 

Alle sind bei uns durchmarschiert. Römer, Hunnen, Langobarden, Franzosen, Schweden, Amerikaner, Russen. Einiges haben sie zurückgelassen, vieles mitgenommen. Düstere Zeiten der Geschichte haben tiefe Spuren hinterlassen. Hitler wurde in Braunau/OÖ geboren, in München begann sein Aufstieg, mit der (von allzu vielen begrüßten) Annexion Österreich beginnend, trieb er später ganz Europa vor sich her. Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs verursachten tiefe Wunden in unseren Städten, Dörfern, Landschaften und Seelen. Bayern und Österreich waren danach Front-Staaten am berüchtigten Eisernen Vorhang. Eine tödliche Falle, die sich zweitausend Kilometer von der Ostsee bis zur Adria hinzog und tausende Opfer forderte – Tote, Verwundete, Verschleppte, Unfälle, Selbstmorde von Grenzwachen... Auch wirtschaftlich und kulturell war dies eine Todeszone. Nicht nur wurden 12 Millionen Deutsche und Österreicher aus ihren Heimaten vertrieben, wobei Hunderttausende die Flucht nicht überlebten. Blühende Landschaften verdorrten, Sprachinseln verstummten, profitable Betriebe mussten schließen und die Regionen an den Sperrzonen verödeten langsam.

Durch die Donau verbunden

Mein erster Wahlkreis zum österreichischen Nationalrat 1979 war das Waldviertel, an der Nordgrenze zwischen Österreich und der Tschechoslowakei gelegen. Hautnah habe ich diese Spannungen, die Sprachlosigkeit, den Hass, die bedrückende Atmosphäre der Teilung Europas und unserer Länder miterlebt. Als das magische und wunderbare Schlüsseljahr 1989 all diese dunklen Wolken, den ideologischen Spuk, die historische Last und Bedrückung im Nu wegfegte und wir jubelnd die (späte) Befreiung der Nachbarn im Osten begrüßen durften, da schworen wir uns und versprachen es auch den Tschechen, Slowaken, Ungarn, Polen, Balten, Slowenen, Kroaten, Rumänen, Bulgaren, Bosniern, Serben, Mazedoniern – sie nicht zu vergessen oder hängenzulassen und sie, sobald sie die dafür notwendigen Voraussetzungen erreichten, in die Europäische Gemeinschaft, die heutige Union, aufzunehmen. Edmund Stoiber und ich gründeten damals gemeinsam als Regierungschefs die Arbeitsgemeinschaft der Donauländer. Mikulas Dzurinda und Viktor Orban waren als gleichberechtigte Partner dabei.

Ein Schmuck-Kasterl unter den Regionen Europas

Was dies alles mit der CSU zu tun hat, werden manche bereits ungeduldig fragen? Nun, sehr viel – die Christlich-Sozialen haben Bayern zu dem gemacht, was es heute ist. Ein Schmuck-Kasterl unter den Regionen Europas. Ein Land, das wirtschaftlich in der Champions League spielt, erstklassige Schulen und Universitäten anbietet. Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden hier nicht erst seit „Greta” buchstabiert. Moderne und Tradition gehen Hand in Hand. Christliche Werte finden sich nicht nur in der Sonntagspredigt oder im Parteinamen, sie werden wirklich gelebt. Ich habe immer die Integrationskraft Bayerns in der kritischen Phase des Flüchtlingsansturms 2015 bewundert. Viele deutsche Bundesländer, aber auch europäische Staaten verkündeten zwar pathetisch ihre Aufnahmebereitschaft und kritisierten verhalten oder lautstark bayerische (und österreichische, Sebastian Kurz sei gedankt) Warnungen vor Überforderung und Engpässen. Aber die wirkliche Integration und Betreuung fand hier in Bayern statt. In großer Kraftanstrengung und Professionalität.

„all politics is local"

Und CSU-Politiker haben eines nie vergessen: „all politics is local“! Vergiss nie, wo Du zuhause bist. Dort wird gewählt, dort wird abgerechnet. Ein Politiker ist nicht Brüssel verpflichtet, nicht Berlin, nicht dem journalistischen Mainstream – sondern den Hoffnungen, Sorgen, Erwartungen der Menschen im Wahlkreis. Gerade deshalb waren große CSU-Politiker auch immer für die Integration Europas, weil große Fragen unserer Zeit nicht mehr regional oder national zu lösen sind. Digitalisierung, Klimaschutz, Standortpflege, Standardsetting, Kontrolle der Tech-Giganten, Außengrenzschutz, Überwachung der Finanzmärkte, um nur einige Beispiele zu nennen. Und von Franz Josef Strauß bis Edmund Stoiber, von Horst Seehofer bis Markus Söder, aber auch von Theo Waigel, dem Vater des Euro, bis zu Manfred Weber, dem EVP-Chef – sie alle prägten eben nicht nur ihre Heimat, sondern gestalten und bewegen Europa. Die Geschichte hat es gut gemeint mit unseren Ländern. Was, wenn der Morgenthau-Plan nach 1945 umgesetzt worden wäre? Oder wenn Salzburg 1806 nicht zu Österreich gekommen wäre – Wolfgang Amadeus gar ein Bayer? Das greift ans patriotische Herz. Oder wenn sich Churchill in Teheran 1943 gegen Stalin und Roosevelt mit seiner Idee einer Donauföderation von Bayern, Österreich und Ungarn durchgesetzt hätte – wären wir dann mit Euch auch Papst und Champions League Sieger geworden? Söder oder Kurz Regierungschef mit Orban als Vizekanzler... Aber wiederum ganz im Ernst, was, wenn ein anderer im Kreml 1989 die Zügel in der Hand gehabt hätte oder der Putsch gegen Gorbatschow früher und erfolgreicher gewesen wäre; der Eiserne Vorhang nicht wie die Mauern von Jericho durch einfache Trompeten­klänge gefallen wäre...

Giscard d´Estaing hat einmal in einer Diskussion in Passau, die ich geleitet habe, festgestellt: „Die Bayern leben unter einem Regenbogen des Glücks“. Nachdem ein Regenbogen bekanntlich zweimal den Boden berührt, nehme ich Österreich dazu und gebe ihm vollinhaltlich recht. Wo auf der Welt lebt man freier, sicherer, glücklicher und schöner als in unserer bayerisch-österreichischen Heimat? Dies zu bewahren und weiterzuentwickeln, dazu sind CSU und Österreichs Volkspartei berufen. Wir halten unsere Länder zusammen. Wir schaffen die anspruchsvolle Balance von Arbeit, Zusammenhalt, Umwelt, Innovation. Wir schützen unsere Mitbürger nach innen und außen. Wir bewahren Tradition und Identität der Heimat und ermutigen zugleich Erneuerer, Forscher, Unternehmer und Kreative. Wichtig sind dabei die regelmäßigen institutionellen Parteikontakte und vor allem die langjährig gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen und Netzwerke auf allen politischen Ebenen. Ad Multos Annos!