Digital first! Bayern first! – mos maiorum und digitale Revolution

Maximilian Th. L. Rückert

„Tradition ist eine Laterne – der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg!“ Der Urheber dieses Zitats ist zwar unklar, aber die CSU lebt die Weisheit seit 75 Jahren. Sie hat bewiesen, dass es ihr über alle technologischen und gesellschaftlichen Innovationszyklen hinweg gelang, im Licht der Traditionsverbundenheit den Weg für Bayern in die Zukunft zu weisen. Auch die Digitale Revolution, diesen aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Aufbruch, mit den weißen Turnschuhen, der Krawattenfreiheit und ästhetisch-minimalistischen Hightechgeräten, gestaltet die CSU mit bewährten Rezepten. Das passt zur konservativen Fortschrittspartei – damals und heute.

Die Digitale Revolution – Disruption seit 1941

Konrad Zuses Z3, die erste funktionstüchtige programmgesteuerte, binäre Rechenmaschine, bestehend aus einer Vielzahl Relais – kurz – der erste Computer der Welt, entstand vier Jahre vor der Gründung der CSU. Die Maschine eroberte die Welt, die Partei den Freistaat Bayern – beides eine menschengemachte Erfolgsgeschichte, beide Entwicklungen sind in ihrer Gegensätzlichkeit eng miteinander verwoben. Diese paradoxe Verbindung von Tradition und Moderne, von Heimat und Hochtechnologie, von Fortschritt und Konservatismus ist die DNA der Partei. Konservativ kommt vom lateinischen Wort „conservare“, was so viel bedeutet wie beibehalten, aufrechterhalten, bewahren. Demnach sollte es konservativen Parteien eigentlich schwerer fallen, auf technologische, kulturelle oder gesellschaftliche Revolutionen anders zu reagieren als mit Forderungen nach dem Status-quo-ante und Beharrung. Der konservativen CSU indes gelang mit ihrer erfolgreichen Politikgestaltung über die letzten Dekaden die Ausprägung als Partei des Fortschritts. „Konservativ sein, heißt, an der Spitze des echten Fortschritts zu stehen.“ Nicht erst seit Franz Josef Strauß gilt das als Dogma der Partei, sondern baute auf Hanns Seidels Wirtschaftspolitik auf, die die „wirtschaftliche und soziale Ausgeglichenheit“ im Nachkriegsdeutschland wieder herzustellen und „diese Voraussetzungen einer stetigen Entwicklung in Anpassung an die veränderten […] Verhältnisse wieder zu schaffen“ (Hanns Seidel) zum Ziel hatte.

Es folgte der zigfach zitierte Wandel vom Agrarstaat zum High-Tech-Land mithilfe ganzheitlicher Landesentwicklungspläne und visionärer Zukunftspolitik. „Warum Wiederaufarbeitungsanlage? Damit die Oberpfalz aus ihrer wirtschaftlichen Misere herauskommt. Warum Rhein-Main-Donau-Kanal? Damit Bayern eine gleichwertige Großwasserstraße erhält, wie es die norddeutschen Länder haben. Warum der Ausbau unserer Autobahnen? Warum der Ausbau des Großflughafens?“ (Franz Josef Strauß)

Atomkraft, Chemieindustrie, Elektrotechnik – es gelang den führenden CSU Politikern stets, die Signale eines bevorstehenden technologischen Wandels zu erkennen, auf den wachstumsverheißenden Zug aufzuspringen und das Land voranzutreiben. Was Seidel noch Anpassung, Strauß Fortschritt nannte, heißt heute Disruption. Bevor die Digitalisierung, der 3D-Druck, die Robotik und Künstliche Intelligenz zu den inflationär gebrauchten und bisweilen inhaltlich hohlen Buzzwords unserer Tage verkamen, sah beispielsweise Edmund Stoiber bereits im Jahr 1993 diese technologische Wende kommen: „Wir haben einen tiefgreifenden Strukturwandel vor uns. […] Es hat in der Geschichte einige wenige technische Innovationen gegeben, die Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend verändert haben. Das war zum Beispiel der Fall, als die Dampfkraft erfunden und eingeführt wurde. […] Heute sind wir offenbar in einer ähnlichen Situation, dass wieder eine Basistechnologie alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche durchdringt und verändert und damit gleichzeitig auch die Gesellschaft und das Denken der Menschen, nämlich die Informationstechnologie“ (zit. Hanisch S.22f).

Nicht also erst seit Ende der 2010er-Jahre, als ein Digital-Summit den nächsten jagte, jeder Ortsverbandsvorsitzende aktuelle Probleme mit den Segnungen der Digitalisierung zu lösen versprach und die Podiumsdiskussionen landauf landab verschlafene Chancen Deutschlands im internationalen Hightech-Vergleich bejammerten, hatte die CSU das Potenzial der digitalen Revolution erkannt und über zwei Dekaden weitsichtig und millionenschwer subventioniert. Was unter Stoiber zunächst als „Offensive Zukunft Bayern“ begann, wurde milliardenschwer von Horst Seehofer mit „Masterplan Bayern Digital I und II“ fortgeschrieben, mit klarer Stoßrichtung: „Wer stehen bleibt, fällt zurück – schneller als jemals zuvor in der Wirtschaftsgeschichte […] Wenn wir jetzt nicht das Heft in die Hand nehmen, werden andere für uns und über uns entscheiden. Für uns in Bayern heißt das: […] Wir wollen die digitale Welt für alle Menschen erschließen. […] Bayern soll auch beim digitalen Aufbruch an der Weltspitze des Fortschritts marschieren – im Dienst für die Menschen in Bayern“.

Immer schwindelerregendere Summen in immer kürzeren Zeitintervallen wurden für Bayerns Digitalisierungsschub in Aussicht gestellt und standen bisher doch immer im Schatten der profitgetriebenen Digital-Plutokratie des amerikanischen Silicon Valley und des staatskapitalistischen Digital-Repressionssystems Chinas. Auch die zwei Milliarden Investitionsvolumen der von Markus Söder ausgerufenen Hightech Agenda Bayern sind nicht konkurrenzfähig auf dem Weltmarkt der Digitalisierungsforschung und -entwicklung. Das ist aus CSU Sicht auch nicht notwendig. Es ging und geht es vielmehr um „Bayern first!“ in Deutschland und Europa.

Bayern first!

„Bayern kommt zuerst, das ist wahr und das ist mein Auftrag!“ Nochmal Seehofer: „Wir sind Taktgeber in vielen Fragen und die Schrittmacher in Berlin. Wir geben die Richtung vor, und wir gehen voran.“ Dahinter steckt freilich System. Die Regionalpartei Bayerns zieht aus dem Regionalegoismus ihre Daseinslegitimation. Da ist es glückliche Fügung, dass die Digitalisierung als Universaltechnologie ortsungebunden, transmedial und branchenübergreifend in der Rhön wie im Bayerischen Wald und in München das gleiche aussichts­reiche Wertschöpfungs- und damit Wachstumspotenzial auf­wirft. Die Innovationspolitik der jüngsten CSU bleibt also der Landesentwicklungspolitik der CSU beispielsweise eines Alfons Goppel erstaunlich treu – nur so kann sie auch „Volkspartei, Staatspartei und Ordnungspartei“ (Emil Muhler) bleiben. Das Rezept bleibt das gleiche: Wegen des Mangels an industriellen Grundstoffen ist der Rohstoff „Forscher- und Gründergeist“ in allen bayerischen Landesteilen zu fördern. Ob es neudeutsch Cluster­­politik heißt, oder mit Goppels Worten darum ging, „regionale Begabungsreserven“ (Hanisch S. 34) zu mobilisieren, die CSU brachte über Dekaden systematisch die Synergien aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammen und machte sie für das Land nutzbar. Ein weitverzweigtes Geflecht aus Existenzgründungsinitiativen, Start-Up-Zentren und Wissenstransferinstitutionen, allen voran das Zentrum Digitalisierung Bayern (ZD.B), durchzieht den Freistaat und setzt heute konsequent um, was bereits Strauß forderte: „Für die Zukunft Bayerns ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nachhaltig verstärkt wird. Das bedeutet keine Abhängigkeit der Wissenschaft von der Wirtschaft, sondern die Freiheit, in Bereichen zu forschen, für die sonst kein Mittel zur Verfügung steht.“ (zit. Hanisch S.36f)

Mögen einige Dorothee Bärs Begeisterung für Computerspiele naserümpfend abtun, verkennen sie die Weitsicht der parteiübergreifend geachteten Digitalpolitikerin. Denn genau dieses brachliegende Potenzial bisher unerforschter Bereiche und das gegenseitig befruchtende Zusammenspiel aus Wissenschaft und Wirtschaft hat heute – worauf vor allem die Junge Gruppe der CSU-Landtagsfraktion stets lautstark hinwies – ganz Bayern standortunabhängig vorangebracht. Die Gamesbranche, die nur in Bayern eine noch nie dagewesene ganzheitliche Förderung erfährt, steht exemplarisch für die vielfachen Wertschöpfungspotenziale des digitalen Wandels. Medien, Bildung, Medizin und Fertigung sind nur einige Sektoren, die der von der Gamesbranche gesetzten Benchmark und ihrer Kreativinnovationsleistung folgen können – in Schweinfurt genauso wie in Fischbachau. Genauso werden auch die mehr als 20 Spitzenforschungszentren und 30.000 Studienplätze für Technik und Informatik wirken, die ausgelobt in der Hightech Agenda Bayern im ganzen Freistaat verteilt und eingebettet in das dichte Netz der Gründungszentren die Digitalisierung und deren wirtschaftliche Chancen aus den Ballungszentren in den ländlichen Raum transportieren werden. Und das hat die CSU schon immer so gemacht und wird ihr ermöglichen, das auch in Zukunft für Bayern tun zu dürfen.

Dorothee Bär und Alfons Goppel, Dirndl und Digitalisierung, Trachtenjanker und weiße Sneaker, Fortschritt und althergebrachte Tradition – aus diesen vermeintlichen Widersprüchen hat die CSU den einzigartigen „Bavarian Spirit“ amalgamiert, der weitere kluge Köpfe aus der Welt nach Bayern lockt und den Rohstoff „Forschungs- und Gründergeist“ im ganzen Land fördert und erhält. Damit wird die CSU und damit wird auch der Freistaat Bayern die sicher noch kommenden technologischen Disruptionen mit den Erfolgsrezepten der Vorväter gestalten können: Mit der Laterne der Tradition leuchtet sie den Weg in die Zukunft.

Literatur

Thomas Schlemmer, Die CSU von 1945 bis 2018. Eine kurze Bilanz, in: APuZ 51-52/2018, S. 29-34.

Horst Seehofer, Regierungserklärung am 6. Juli 2017, zit. nach: https://www.bayern.de/bayern-digital-ii-chancen-lebensqualitaet-sicherheit/?seite=1614

Hanns Seidel, Vom Agrarland zum Industriestaat, in: Die Zeit, Nr. 45/1952.

Emil Muhler, Die ideologischen Grundlagen der CSU, in: Politisches Jahrbuch der CSU, Augsburg–Recklinghausen 1954, S. 13–32.

Rudolf Hanisch, Silicon Valley Bayern. Eine Dokumentation bayerischer Innovationspolitik, Straubing 2018, darin: Edmund Stoiber, Regierungserklärung am 30. Juni 1993, S. 22f; Franz Josef Strauß, Regierungserklärung vom 10. Dezember 1986, S. 36f.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/wie-bayern-wurde-was-es-heute-ist.1001.de.html?dram:article_id=237154

https://www.deutschlandfunk.de/die-csu-und-trump-bayern-first-und-andere-parallelen.862.de.html?dram:article_id=377999