Eine Frage der Perspektive – Drei Bundesfinanzminister und eine Partei zwischen Bayern und Bund

Rudolf Himpsl

Der Finanzminister ist in jeder Regierung von zentraler Bedeutung. In der Bundesregierung hatten bislang drei CSU-Politiker dieses herausfordernde Amt bekleidet. Allesamt waren sie ausgesprochene Charakterköpfe, die den Kurs der Bundesrepublik während entscheidender Weggabelungen mitsteuerten: Fritz Schäffer von 1949 bis 1957 als erster Bundesfinanzminister; Franz Josef Strauß von 1966 bis 1969 als die entscheidende Figur bei der Großen Finanzreform; und schließlich Theo Waigel von 1989 bis 1998 bei der Wiedervereinigung und als einer der „Väter des Euro“. Sucht man in ihren Amtszeiten nach gemeinsamen Nennern einer christlich-sozialen Finanzpolitik, so sind dies eine seriöse Haushaltsführung und die Betonung von Stabilität. Und es zeigt sich das besondere Spannungsfeld, in dem sich die CSU als eine in Bayern verwurzelte Partei mit bundespolitischem Anspruch bewegt.

Ein sparsamer Hausvater

Mit seiner Biographie steht Fritz Schäffer beispielhaft dafür, dass von einem völligen politischen Neubeginn nach 1945 nicht gesprochen werden kann: 1888 in München geboren, war er von 1929 bis zu ihrer Auflösung 1933 Vorsitzender der BVP und von 1931 bis 1933 geschäftsführender Finanzminister in Bayern. Nach dem Krieg gehörte er zu den Mitgründern der CSU als einer der führenden Vertreter des altbayerisch-katholischen Flügels, war aber 1948 zwischenzeitlich aufgrund seines Konflikts mit Josef Müller ausgetreten. Er war Föderalist, kein Separatist, wie er selbst häufig betonte. Die US-Besatzungsbehörden ernannten ihn 1945 zum ersten Ministerpräsidenten der Nachkriegszeit, setzten ihn allerdings schon nach wenigen Monaten wieder ab. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 errang er das Direktmandat im Wahlkreis Passau und übernahm schließlich nach der Regierungsbildung das Amt des Bundesfinanzministers. Schäffer war zumindest bis 1954 zweifelsohne das nach Adenauer einflussreichste Mitglied der Bundesregierung. Die Öffentlichkeit sah in Schäffer vor allem den sparsamen Hausvater und den „Hüter der Währung“.

Schon im Vorfeld der ersten Regierungsbildung war klar, dass die CSU das gerade unter föderalismuspolitischen Gesichtspunkten wichtige Finanzressort für sich beanspruchen würde. Schäffer schien hier der richtige Garant zu sein. Dennoch sah er sich bei der Steuerpolitik immer wieder heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen ausgesetzt, obwohl er dazu beitrug, dass der Verteilungsschlüssel beim Finanzausgleich Bayern durchaus begünstigte. So kritisierte 1950 Bayerns Bevollmächtigter beim Bund Ernst Rattenhuber, Schäffer würde die „Länder unter die finanzielle Kuratel des Bundes“ stellen. Nur durch mehrmaliges Androhen seines Rücktritts konnte der Bundesfinanzminister 1952 die Staatsregierung in München davon überzeugen, einer Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommens- und Körperschaftssteuer zuzustimmen. Alois Hundhammer beklagte damals, man würde „um ein Butterbrot Bayern hergeben“. Erst die Finanzreform 1955 beendete vorläufig den Streit zwischen Bund und Ländern über ihre jeweiligen Anteile an den Gemeinschaftssteuern.

Die „Verteidigung des Juliusturms“

Der ständig schwelende Konflikt um die Steuerverteilung spielte auch bei den Debatten um den sogenannten „Juliusturm“ eine wichtige Rolle: Die hohen Soziallasten und die Besatzungskosten als Folgen des Krieges bestimmten maßgeblich Schäffers äußerst sparsame Haushaltspolitik. Zudem zeichnete sich angesichts der neuen globalen Frontstellung zwischen West und Ost bereits ab, dass die Bundesrepublik schon in naher Zukunft einen eigenen Verteidigungsbeitrag leisten musste. Dies wollte Schäffer ohne Steuererhöhungen bewältigen. Obwohl die in den Bundeshaushalt eingeplanten Mittel für Besatzungskosten und Wiederbewaffnung nicht in voller Höhe benötigt wurden, gab er sie nicht für andere Vorhaben frei. In der Öffentlichkeit wuchs die Kritik an Schäffers Sparsamkeit. Auch die Länder sahen sich in ihren Forderungen nach höheren Anteilen am Aufkommen der Gemeinschaftssteuern bestätigt. Im Vorfeld der Bundestagswahl 1957 beschlossen die Mehrheiten in Bundesregierung und Bundestag, finanzielle Entlastungen der Bürger in Höhe von drei Milliarden DM mit den Reserven des „Juliusturms“ zu finanzieren, um letztlich die Regierungsmehrheit von Union und FDP zu sichern. Der vehemente Protest Schäffers blieb wirkungslos. Als kurz darauf der aufstrebende Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß seinen Kabinettskollegen aufforderte, die für sein Ressort vorgesehenen Mittel freizugeben, verweigerte Schäffer dies, stand jedoch aufgrund mangelnden Rückhalts des Bundeskanzlers und der übrigen Minister auf verlorenem Posten. Nach der Bundestagswahl 1957 blieb ihm notgedrungen nur noch der Wechsel an die Spitze des Bundesjustizministeriums. Seine von Sparsamkeit gekennzeichneten fiskalpolitischen Prinzipien waren aus der Mode geraten und auch in der CSU auf zunehmende Kritik gestoßen.

Wer ist der Hüter des Föderalismus?

Damit war Schäffer nicht zuletzt u.a. ausgerechnet an dem Mann gescheitert, der 1966 als zweiter CSU-Politiker das Amt des Bundesfinanzministers übernehmen sollte. Wie sein Vorgänger präsentierte sich auch Franz Josef Strauß gerne als verantwortungsbewusster Haushälter. Tatsächlich sollte er für Jahrzehnte der letzte Bundesfinanzminister bleiben, der einen ausgeglichenen Etat vorlegen konnte. Thematisch prägte die Amtsperiode von Strauß vor allem die Große Finanzreform. Die Novellierung des Jahres 1955 hatte sich schon bald als ungenügend herausgestellt. Die Länder kritisierten, dass sich der Bund zu sehr in ihre Aufgaben einmischte. Der Bund wollte dagegen eine erneute Überprüfung der länderfreundlichen Aufteilung der Einnahmen des gemeinsamen Steuerverbunds. Letzten Endes ging es hier also nicht nur um eine Neuordnung der Finanzverhältnisse, sondern im Kern um die bundesstaatliche Ordnung an sich – ein Zusammenhang, den auch Strauß explizit betonte.

Innerhalb der CSU führten die Diskussionen um die Einführung sogenannter Gemeinschaftsaufgaben und die Reform des Steuerverbunds zu heftigen Auseinandersetzungen vor allem zwischen der CSU-Landesgruppe in Bonn und der Landtagsfraktion in München bzw. mit Strauß auf der einen und Bayerns Ministerpräsident Alfons Goppel auf der anderen Seite. Stellvertretend nahm der Bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten Franz Heubl die Rolle als Verteidiger des Föderalismus und Opponent zu Strauß ein. Letztgenannter wehrte sich u.a. gegen den Vorwurf, „ein verkappter oder auch offener Zentralist“ zu sein: „Ich bin in der glücklichen Lage, meine Heimat von Geburt und Politik aus in Bayern zu haben und dank des föderativen Gütesiegels dieses Landes gegen solche Verdächtigungen einigermaßen immun zu sein.“ In Bayern verfing diese kreative Argumentation freilich nicht. Stattdessen warf Staatsminister Heubl seinem Parteivorsitzenden vor, alle föderalistischen Grundsätze über Bord geworfen zu haben. Bei einer Sitzung der Landtagsfraktion im Dezember 1968 konnte ihr Vorsitzender Ludwig Huber nur mit Mühe eine Kampfabstimmung über den Bundesfinanzminister und Parteivorsitzenden verhindern. Erst der „Münchner Kompromiss“ zwischen Goppel und Strauß im Januar 1969, der in der Öffentlichkeit als taktischer Erfolg des Bundesfinanzministers gewertet wurde, ebnete den Weg zur Verabschiedung der Großen Finanzreform.

Eine Gemeinschaftswährung spaltet

Während der 1960er- und 1970er-Jahre gelang es trotz der Auseinandersetzungen zwischen der „CSU am Rhein“ und der „CSU an der Isar“ in aller Regel, Ministerpräsidenten Goppel und CSU-Vorsitzenden Strauß als erfolgreiches Duo im Einsatz für Bayern zu inszenieren. Dies war bei der Doppelspitze Theo Waigel/Edmund Stoiber über weite Strecken nicht der Fall. Ihre Auseinandersetzungen gewannen vielmehr an einer nie dagewesenen Schärfe, ging es hier doch zugleich um die grundsätzliche Ausrichtung der Partei und 1993 auch noch um die Nachfolge Max Streibls als Ministerpräsidenten. Mit der Landesleitung und Landesgruppe auf der einen und der Staatsregierung und Landtagsfraktion auf der anderen Seite bildeten sich in der Folge zwei Machtzentren, die sich bis zum Rückzug Waigels von seinem Amt als Parteivorsitzendem gegenüberstanden. Besonders augenfällig und öffentlich inszeniert wurde der Konflikt um die Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung. Bundes­finanzminister Waigel trieb dieses Projekt seit seinem Amtsantritt mit großer Leidenschaft voran. Auch von der Staatsregierung unter Streibl wurden die Pläne zunächst stark begrüßt. Dies änderte sich allerdings mit der Regierungsübernahme durch Edmund Stoiber. Als noch im April 1998 die Staatsregierung damit drohte, bei der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat gegen den Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion zu stimmen, griff Theo Waigel zu einem dramatischen Schritt. Telefonisch teilte er, wie er in seinen Memoiren schildert, dem Ministerpräsidenten mit, dass er bei gegenteiligen Voten der CSU unverzüglich seinen Rücktritt als Parteivorsitzender und Finanzminister erklären würde. Hieraufhin habe Stoiber eingelenkt; Bayern stimmte der Wirtschafts- und Währungsunion zu.

Diese Episoden zeigen, dass sich die Bundespolitiker der CSU aufgrund des Selbstverständnisses der Partei in einem ständigen Ausgleich zwischen bayerischen Interessen und den Zwängen, die sich aus der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU und aus Koalitionsräson ergeben, bewegen müssen. Bei den Bundesfinanzministern entfalten noch zwei weitere Eigendynamiken Wirkung: die eines personenstarken Behördenapparats und nicht zuletzt diejenige der Macht. Der Blick aus Bonn oder Berlin ist unter diesen Gesichtspunkten dann häufig ein anderer als der aus München. Für die CSU wird dies auch künftig große Herausforderungen bedeuten.

Literatur

Dieter Grosser, Die Rolle Fritz Schäffers als Finanzminister in den ersten beiden Kabinetten Konrad Adenauers, in: Wolfgang J. Mückl (Hrsg.), Föderalismus und Finanzpolitik. Gedenkschrift für Fritz Schäffer, Paderborn 1990.

Andreas Kießling, Die CSU. Machterhalt und Machterneuerung, Wiesbaden 2004.