Wege in ein mobiles Bayern – Gute Straßen, ein Kanal und ein neuer Flughafen

Karl Heinz Keil

„Chancen brauchen Infrastruktur. Wirtschaft braucht Wege, Menschen brauchen Mobilität…“.
Mit dieser Aussage im aktuellen Grundsatzprogramm der CSU von 2016 wird auf eine Verkehrspolitik in Bayern verwiesen, in der schon früh Mobilität mit einer weitsichtigen Infrastruktur- und Wirtschaftspolitik verknüpft wurde. Die Erschließung des Landes durch Straßenbau, Großprojekte wie der Rhein-Main-Donau-Kanal oder der neue Flughafen stehen für diese enge Verzahnung, die durch zahlreiche Landespolitiker der CSU vorangetrieben und verantwortet wurde.

Ein eigenes Ministerium für Verkehr in Bayern

Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs 1945 hatten zunächst die Alliierten mit den staatlichen Hoheitsrechten auch die Kompetenzen für das Verkehrswesen übernommen. Dessen Organisation und Verwaltung übertrugen die Amerikaner in ihrer Zone jedoch schon bald wieder den Ländern. In Bayern schuf man ein eigenes Verkehrsministerium, das die CSU übernahm. 1949 beschränkte das Grundgesetz allerdings die Handlungsspielräume der Länder für eine eigenständige Verkehrspolitik. Die Aufgaben bei Neubau und Instandhaltung der einzelnen Verkehrswege wurden auf Bund, Länder, Kreise und Gemeinden verteilt. Bereits zum 1. Oktober 1952 wurde das bayerische Verkehrsministerium wieder aufgelöst. Die verbliebenen Kompetenzen fielen vor allem an das Wirtschaftsministerium, das in „Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr“ umbenannt wurde, weitere an das Innen- und das Finanzministerium. Es war dann der CSU-Politiker und Wirtschaftsminister Hanns Seidel, der ab Oktober 1952 in Bayern das neu kombinierte Ressort „Wirtschaft und Verkehr“ leitete und den Weg für eine erfolgreiche bayerische Verkehrs- und Infrastrukturpolitik ebnete.

Ausbau der Verkehrswege zu Wasser und zu Land

Vor dem Krieg lief die Hauptachse des Güterverkehrs zwischen den beiden wirtschaftlichen Kerngebieten Deutschlands, dem Ruhrgebiet und Sachsen, also in West-Ost-Richtung. Nach dem Zweiten Weltkrieg durchschnitten die Zonengrenze und später der „Eiserne Vorhang“ diese Verbindung. Ostbayern, nun von wertvollen Rohstoffen und Absatzmärkten abgeschnitten, wurde zum Zonenrandgebiet. Auch norddeutsche Seehäfen waren plötzlich schwer erreichbar, da die DDR nicht passiert werden konnte. Es lag nicht zuletzt an diesen neuen Standortnachteilen, dass die bayerische Wirtschaft in den Nachkriegsjahren gegenüber anderen westdeutschen Ländern zurückblieb.

Um die Markt-, Revier- und Seehafenferne auszugleichen, wies die bayerische Politik dem Ausbau der Verkehrswege größte Bedeutung zu. Hanns Seidel als Wirtschafts-, dann als Verkehrsminister, später auch als Ministerpräsident (1957-1960) forcierte die „Erschließung des Landes“, die vor allen Dingen schnell und kostengünstig erfolgen musste. Bei beiden Kriterien war die Straße gegenüber der Schiene im Vorteil. Hatte noch in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst die Eisenbahn im Mittelpunkt bayerischer Verkehrspolitik gestanden, wurde von 1950 bis 1965 das Netz klassifizierter Straßen in Bayern um ca. 6.600 km erweitert.

Aber Seidel war nicht nur ein Wegbereiter der Erschließung Bayerns durch Straßenbau. Er erkannte frühzeitig die Brückenfunktion Bayerns zwischen dem „nordwesteuropäischen Fluß- und Wasserstraßensystem und dem Donauflußsystem“. Deswegen hatte für ihn auch der Ausbau der Großschifffahrtsstraße Rhein-Main-Donau Kanal eine hohe Priorität. Der Kanal sollte Rhein und Donau, die beiden wichtigsten Flüsse Mitteleuropas, miteinander verbinden. Idee und erste Realisierungsversuche waren alt. Beginnend bereits bei Karl dem Großen, ca. 1.000 Jahre später von König Ludwig I. von Bayern aufgegriffen und schließlich 1921 mit der Gründung der Rhein-Main-Donau AG vollzogen, war die Idee einer leistungsfähigen Wasserstraße im Herzen Europas für Seidel auch eine Notwendigkeit, um die „strukturell benachteiligten Gebiete Ostbayerns“ aufzuwerten. Trotz vieler Widerstände, zunächst vom Bund, später von Seiten des Umwelt- und Naturschutzes, schritt der Bau des Kanals voran. 1962 waren die Arbeiten am Main weitgehend abgeschlossen und der Hafen in Bamberg konnte in Betrieb gehen. 1972 erreichte man Nürnberg. Es dauerte dann weitere 20 Jahre, um den besonders problematischen Abschnitt zwischen Nürnberg und Kelheim fertigzustellen. Ab 1992 war schließlich die gesamte Strecke von Bamberg bis Passau mit Schiffen bis 1.500 Tonnen befahrbar.

Der Kanal sollte nicht das einzige große Verkehrsprojekt bleiben, das heute das Bild Bayerns bestimmt. Die auf Seidel folgende Ära Goppel der 1960er- und 1970er-Jahre war geprägt von zahlreichen Modernisierungsentscheidungen, von denen viele den CSU-Wirtschafts- und Verkehrsministern Otto Schedl und Anton Jaumann zuzurechnen sind. So kamen beispielsweise Erdgas- und Ölpipelines einschließlich moderner Raffinerien nach Bayern. Das Land wurde zu einem attraktiven Industriestandort.

Errichtung eines Großflughafens

Nachdem der Infrastrukturausbau zunächst auf dem Land und auf dem Wasser in Form des Großprojekts Rhein-Main-Donau-Kanal erfolgte, erkannte man bald die wachsende Bedeutung des Luftverkehrs, der vor allem vom damaligen Parteichef Strauß gefördert wurde.

Franz Josef Strauß begeisterte sich bereits früh für die Luft- und Raumfahrt. Er verband damit private Vorlieben und politisches Engagement. Mit dem Aufsichtsratsvorsitz bei Airbus Industrie sowie in weiteren derartigen Unternehmen gelang es ihm, Bayern als attraktiven Standort für diese Industriezweige zu sichern und auszubauen. Eine Steigerung der Attraktivität der Region sollte der Bau eines neuen Großflughafens in München bringen. Nachdem die Kapazitäten des Flughafens München-Riem ausgeschöpft waren, begann man bereits in den 1960er-Jahren nach einem neuen Standort zu suchen. 20 mögliche Flächen in und um München wurden in Betracht gezogen. 1969 verkündete die Bayerische Staatsregierung den Neubau eines Flughafens am sogenannten Standort „Erding-Nord“. Nach langjährigen Protesten anliegender Gemeinden und Bürgerinitiativen und einem zwischenzeitlich durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verordneten Baustopp konnten die Bauarbeiten 1985 wieder aufgenommen werden. Strauß erlebte die Eröffnung des Flugbetriebs 1992 nicht mehr, jedoch würdigte die Flughafen München GmbH 1990 seine Verdienste bei der Durchführung des Projekts durch die offizielle Bezeichnung „Flughafen München – Franz Josef Strauß“.

In die Ministerpräsidentenzeit von Franz Josef Strauß fiel nahezu deckungsgleich die Zeit dreier CSU-Bundesverkehrsminister. Werner Dollinger, Jürgen Warnke und Friedrich Zimmermann bekleideten nacheinander dieses Amt in den Kabinetten Kohls. In ihre Amtszeiten fielen wegweisende Entscheidungen für die Schiene. Während Dollinger den Startschuss für die ersten ICE-Züge gab, bereitete Friedrich Zimmermann die Bahnreform vor, die kurz darauf die bayerische Verkehrspolitik maßgeblich beeinflusste und zu einer Neuorganisation des Schienenverkehrs führte.

Neuorganisation des Schienenverkehrs

Völlig neue ordnungspolitische Aufgaben kamen auf das bayerische Verkehrsressort gleich zu Beginn der Amtszeit von Otto Wiesheu zu. Nach der Neuorganisation der deutschen Eisenbahnen 1992/93, wurden die Länder wieder in die Abwicklung des Personennahverkehrs eingebunden. Während viele andere Länder die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) an verschiedene regionale Zweckverbände und Verkehrsverbünde weiterdelegierten, ging die CSU-geführte bayerische Staatsregierung einen anderen Weg. Sie legte den SPNV in ganz Bayern in die Hände einer eigens geschaffenen Institution: 1996 nahm die neu gegründete Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) ihre Arbeit auf.

Dass diese Themenvielfalt bayerischer Verkehrspolitik auch 75 Jahre nach Gründung der Partei und dem ersten CSU-Verkehrsminister in Bayern nichts an Aktualität verloren hat, zeigt das jüngste Regierungshandeln. Kurz nachdem Markus Söder das Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten übernommen hatte, wurden mit Beschluss der Bayerischen Staatsregierung vom 21. März 2018 die Bereiche „Wohnen, Bau und Verkehr“ zusammengefasst und im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr alle Verkehrsaufgaben in einem Ressort gebündelt.

Neue Aufgaben für die Verkehrspolitik

Der Ressortzuschnitt spiegelt damit auch die von der CSU-Verkehrskommission benannten vielfältigen verkehrspolitischen Aufgaben wider: die Erschließung der ländlichen Räume, gleichzeitig Verkehr in den Ballungsräumen effizient gestalten, flexible Mobilitätsangebote schaffen, aber auch die Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen. Insbesondere das Thema Digitalisierung veränderte auch auf Bundesebene den ministeriellen Arbeitsbereich der Verkehrspolitik. Alexander Dobrindt wurde 2013 als Nachfolger von Peter Ramsauer erstmals „Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur“.

Literatur

Alexander Gall, „Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!“ Verkehrspolitik in Bayern zwischen Wiederaufbau und Ölkrise. Frankfurt, New York (Campus) 2005, S. 18f. Ders., „Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!“ Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976, in: Thomas Schlemmer/Hans Woller (Hrsg.), Bayern im Bund, Bd. 1: Die Erschließung des Landes 1949 bis 1973, München 2001, S. 119–204.

Dirk Götschmann, Wirtschaftsgeschichte Bayerns. 19. und 20. Jahrhundert, Regensburg 2010.

Hans Ferdinand Groß, Hanns Seidel 1901–1961. Eine politische Biographie (UQZ 1) München 1992.

Die Ära Goppel. Festansprache von Staatsminister a.D. Professor Dr. Hans Maier, in: Hans Zehetmair (Hrsg.), Bilanz eines erfüllten Lebens: Alfons Goppel zum 100. Geburtstag, München 2005, S. 33-56.

Franz Josef Strauß – Analytiker – Visionär – Realist, Luft- und Raumfahrt, URL: https://www.fjs.de/der-politiker/politische-themen/luft-und-raumfahrt/ (abgerufen am 28.1.2020).

Vor 25 Jahren ging der Münchner Flughafen an den Start: Wie der Münchner Airport zum Drehkreuz wurde (10.5.2017), URL: https://www.munich-airport.de/presse-ein-vierteljahrhundert-im-steilflug-8965212 (abgerufen am 28.1.2020).

Max Spindler, Handbuch der bayerischen Geschichte, Band IV,2: Das Neue Bayern, München 2007, 2. Auflage.