Der Bayerische Landtag lehnt als einziges Länderparlament das Grundgesetz ab

19.05.1949

Nach 15-stündiger Debatte lehnt der Landtag mit 101 gegen 63 Stimmen bei 9 Enthaltungen als einziges Länderparlament das Grundgesetz ab. Jedoch wird mit 97 gegen 6 Stimmen bei 70 Enthaltungen die Rechtsverbindlichkeit anerkannt.
 

Ein paar Tage zuvor, am 8. Mai 1949, wird das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat angenommen. Vorangegangen sind lange und schwierige Debatten, in denen die bayerische Staatsregierung heftige Kritik an dem starken Zentralisierungscharakter des Dokuments äußert. Die auf Druck Bayerns beschlossene Einführung des Bundesrates als Vertretung der Länder kann an der ablehnenden Haltung nichts ändern. Insbesondere im zukünftigen Grundgesetz verankerte Regelungen, zum Beispiel in Fragen der Finanzverfassung, sorgen für großen Unmut. Der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard fasst dies in dem prägnanten Ausdruck „Nein zum Grundgesetz und Ja zu Deutschland“ zusammen.

Dieser Widerspruch äußert sich in der Abstimmung über das Grundgesetz im Bayerischen Landtag: In einer ersten Abstimmung am 20. Mai 1949 - Sitzungsbeginn war bereits am 19. Mai 1945 - lehnt dieser als einzige Volksvertretung das Grundgesetz ab. Der Bayerische Landtag demonstriert auf diesem Wege seine ablehnende Haltung gegenüber dem Grundgesetz beziehungsweise gegenüber den darin enthaltenen Festlegungen. 
Zur Sitzungseröffnung führt Ministerpräsident Ehard die Gründe für eine Ablehnung noch einmal vor dem Parlament aus: Das Grundgesetz würde unter anderem die Mechanismen für eine Aushebelung des staatlichen Charakters der einzelnen Länder liefern. Einzelne Befugnisse des Bundes bezüglich der Steuerverwaltung, Justizhoheit und Finanzen gegenüber den Ländern würden dies noch verstärken. 

An die Ablehnung durch den Landtag ist jedoch gleichzeitig die Anerkennung der Rechtsverbindlichkeit des Dokuments geknüpft. So wird in einer zweiten Abstimmung in den frühen Morgenstunden des 20. Mai 1949 die Rechtsverbindlichkeit des Grundgesetzes von der bayerischen Landesregierung angenommen.
Die Verweigerung der Zustimmung ist somit ein rein symbolischer Akt und gefährdet Bayerns Mitwirkung in den Verfassungsorganen der Bundesrepublik nicht.

Noch im Jahr 1949 publiziert die CSU unter Federführung des CSU-Generalsekretärs Franz Josef Strauß eine 16-seitige Broschüre mit dem Titel "Unser Nein zu Bonn – Unser Ja zu Deutschland". Hierin wird die Ablehnung des Grundgesetzes erläutert, die auf der im Grundgesetz unzureichenden Berücksichtigung des föderativen Staatsaufbaus beruht. Zugleich wird das Bekenntnis zu einem neuen deutschen Bundesstaat bekräftigt.