Hanns Seidel wird Ministerpräsident

16.10.1957

Nach dem Bruch der Viererkoalition in Bayern wird Hanns Seidel zum neuen Ministerpräsidenten gewählt (Kabinett Seidel I). Der Koalition gehören CSU, GB/BHE (Gesamtdeutscher Block/Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten) und FDP an, SPD und BP bilden die Opposition. Georg Meixner bleibt CSU-Fraktionsvorsitzender; wegen dessen angeschlagener Gesundheit wird Franz Lippert zum geschäftsführenden Fraktionschef gewählt.

Das Ergebnis der Bundestagswahl vom 15. September 1957, bei der die CSU 57,2 % der Stimmen erreichte, hatte auch Auswirkungen auf die politischen Konstellationen innerhalb des Freistaates. Die seit Dezember 1954 in Bayern regierende Koalition aus SPD, Bayernpartei (BP), Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) und FDP brach noch vor Ende der Wahlperiode auseinander. Bereits am 27. September kam es – allerdings ohne Autorisierung durch Fraktions- und Parteigremien – zwischen Vertretern von GB/BHE, BP und CSU zu Gesprächen über die Möglichkeit der Bildung einer neuen Regierungskoalition.

Am 8. Oktober 1957 beschloss die Fraktion von GB/BHE die gemeinsame Koalition aufzukündigen, womit diese ihre Mehrheit im Bayerischen Landtag verlor. Nachdem auf Drängen der CSU-Politiker Rudolf Eberhard und Otto Schedl am selben Tag die vier Regierungsmitglieder der BP ebenfalls aus dem Kabinett ausgeschieden waren, trat Ministerpräsident Wilhelm Hoegner zurück. Daraufhin führte Hanns Seidel als Sprecher der CSU-Landtagsfraktion Sondierungsgespräche mit den übrigen Parteien über die Bildung einer neuen Regierung. Das Ergebnis seiner Verhandlungen war dann die Bildung einer aus CSU, GB/BHE und FDP bestehende Koalitionsregierung. Hanns Seidel wurde auf Vorschlag Rudolf Eberhards am 16. Oktober 1957 zum Ministerpräsidenten gewählt, eine Funktion die er bis zu seinem krankheitsbedingten Rücktritt 1960 ausübte. 

 

Dazu aus dem Zeitzeugengespräch mit dem Sohn Christian Seidel:

"Als Parteivorsitzender hat er die CSU zu einer wertorientierten und gut organisierten Volkspartei geformt. Er hatte loyale Partner, die das, was er formulierte und propagierte, auch umsetzten. Das Ende der Viererkoalition war eine taktische Meisterleistung. Hier war er das "Brain", Rudolf Eberhard und Otto Schedl, zwei echten Gehilfen, denen er vertraute, die Operateure. Erst im Nachhinein konnte ich das taktische Geschick bewundern. [...] Die Bayernpartei hat sich selbst ins Abseits manövriert, aber Eberhard und Schedl haben schon ein paar Minen gelegt. Ich sehe die beiden immer, wie sie sich mit meinem Vater in der Karl-Theodor-Straße besprechen, wo er eine Anwaltskanzlei hatte. Er war da schon engagiert."

(Zeitgespräch, in: Politische Studien 438 (2011) S.20)