Ein Blick in die bisher sieben Grundsatzprogramme der CSU – immerhin verbindliche Aussagen über die Bedeutung von Frauen – zeigt die Entwicklung der Partei und den Wandel der Gesellschaft. Wurde im ersten Programm 1946 als der ursprüngliche Beruf der Frau, Hausfrau und Mutter zu sein, betont und außerhäusliche Tätigkeit nur der Not geschuldet, bezeichnet, heißt es 20 Jahre später, dass sie in Familie und Beruf einen bedeutenden Beitrag leistet und dies dem Grundsatz der Gleichberechtigung entspräche. In den 1970er-Jahren proklamierte die CSU die Wahlfreiheit und bezog nun auch Männer in die Familienarbeit ein. Sie forderte eine Verbesserung der Rahmenbedingungen und setzte sich auch in der Politik für Fördermaßnahmen ein. Gab es noch 1968 einen knappen Abschnitt „Die Frau“, so verzichtete das Programm von 2007 auf ein eigenes Frauenkapitel und im gegenwärtig gültigen Programm wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau als Bestandteil der Leitkultur verstanden und gegen andere Auffassungen vehement verteidigt. Aussagen über Frauen und CSU wurden entbehrlich.
Die Frauen, insbesondere aus den früheren konfessionellen Verbänden, folgten dem Appell der CSU, sie gestalteten den Wiederaufbau auf allen Gebieten. Und die Partei setze sie auch ein: Thusnelda Lang-Brumann, frühere Reichstagsabgeordnete der Bayerischen Volkspartei und spätere erste Landesvorsitzende der 1947 gegründeten Frauenarbeitsgemeinschaft, wurde in den Wirtschaftsrat entsandt; Maria Deku, spätere Landtagsabgeordnete, formulierte für die CSU die neue Verfassung Bayerns mit; und in den ersten Bayerischen Landtag zogen 1946 vier Abgeordnete ein, alle vier von der CSU (erst im Laufe der Legislaturperiode rückte für die SPD eine weitere Abgeordnete nach). Das Ergebnis war durchaus überraschend und sollte sich erst in den 1960er-Jahren wiederholen. In den ersten Deutschen Bundestag wurde eine einzige Frau gewählt, die sehr geschätzte Maria Probst. Ihr folgten 1953 zwei weitere. Ab 1972 erlebte die CSU-Landesgruppe bezüglich der Frauen im übertragenen Sinne eine „Echternacher Springprozession“. Heute beträgt ihr Anteil acht von 46. Nicht gerade überwältigend. Auch im Landtag ist die Bilanz bescheiden: Der Anteil der weiblichen CSU-Vertreter ist 18 von 85. Nur im Europäischen Parlament schaffte die CSU eine paritätische Vertretung, was jedoch im Wahlrecht begründet ist. Das dort geltende Verhältniswahlrecht ist hinsichtlich der Listengestaltung einfacher zu beeinflussen als die Aufstellung in den Wahl-/Stimmkreisen. Ohne Ironie ist festzuhalten, dass die Frauen Opfer der Erfolge der CSU sind. Frauen kandidieren seltener in Direktkreisen und da diese fast immer durch die CSU gewonnen wurden, blieb ihnen nur die geringe Chance, über die Liste einzuziehen. 50% plus x funktionierte nicht mehr. Die Frauen auf den Listen blieben auf der Strecke. Ein besonders krasses Beispiel war die Bundestagswahl 2017, wo fünf Frauen dadurch ihr Mandat verloren. Nur Direktkandidatinnen waren erfolgreich. Und es ist kein Trost, vielleicht im Laufe der Legislaturperiode nachzurücken.
Nirgendwo in der Politik ist der Frauenanteil so gering wie in der Kommunalpolitik. Generell gilt, je kleiner die Gemeinde, desto geringer der Frauenanteil. Ein typisches Stadt-Land-Gefälle, denn immer noch dominiert die CSU auf dem Land. Gerade aber das Kommunalwahlrecht eröffnet Frauen durch Panaschieren und Kumulieren Chancen. Wenn Frauen gezielt gehäufelt werden, können sie schlechte Plätze verbessern. Dies wirkte bisher eher in Großstädten. Frauensolidarität wäre gefordert und Zutrauen in die Geschlechtsgenossinnen. In den 70ern bildeten sich gelegentlich dort eigene Frauenlisten, wo die Parteien und Wählergruppen keine Frauen aufstellten. Da diese durchaus erfolgreich waren, wurden bei der nächsten Wahl Frauen auf den CSU-Listen berücksichtigt und damit integriert.
Gibt es weibliche Vorbilder für die CSU-Frauen, die Spitzenpositionen in öffentlichen Ämtern erreichten? Frauen mussten lange Geduld beweisen. Die erste CSU-Ministerin auf Bundesebene wurde 1989 Gerda Hasselfeldt und danach bekam lediglich Ilse Aigner im Bund noch ein Ministeramt. Auch auf Landesebene war es schwierig für Frauen. Mathilde Berghofer-Weichner wurde erst 1986 Bayerische Justizministerin und bis zur Parität bei den Kabinettsmitgliedern 2020 war noch ein weiter Weg. Den früheren Mangel machen auch die beiden Landtagspräsidentinnen in Folge, Barbara Stamm und Ilse Aigner, nicht wett. Im deutschen Bundestag gab es bisher lediglich drei Vizepräsidentinnen von der CSU.
Noch schwieriger war es auf der kommunalen Ebene. In Bayern wurde bei der Kommunalwahl 2014 keine einzige Frau in den acht Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern gewählt und nur 8,7% der restlichen Ober- oder Ersten Bürgermeister sind weiblich. Oberbürgermeisterinnen oder Landrätinnen der CSU – Mangelware. Zur Kommunalwahl 2020 traten Frauen in mehreren Großstädten Bayerns an. In München, Augsburg und Regensburg schickte die CSU Frauen in die Wahl um den Oberbürgermeistersessel, alle drei kamen in die Stichwahl und Augsburg hat nun als drittgrößte Stadt Bayerns eine CSU-Oberbürgermeisterin. Aus dem CSU-Landrätinnenduo wurde ein Trio. Dennoch gab es früher Überraschungen vor allem in Städten und Landkreisen, die bis dahin als aussichtslos für die CSU galten. Dort durften sich Frauen beweisen und sie wurden überraschenderweise gewählt, wie Gudrun Grießer in Schweinfurt oder Gabi Pauli im Landkreis Fürth. Ihnen traute man zu, Verkrustungen aufzubrechen. Sie wurden auch wiedergewählt, denn ihre Amtsführung überzeugte.
Frauen waren treue Wählerinnen der CSU. Mehr Frauen als Männer wählten diese Partei. Dass es gelegentlich auf den Kanzlerkandidaten ankam, zeigten die beiden Ausnahmen 1980 und 2002, wo sich mehr Männer für die CSU entschieden. Ansonsten gab es im Bund und im Land immer geschlechtsspezifische Unterschiede, kombiniert mit dem Lebensalter. Erstmals glich sich mit der Landtagswahl 2018 das Wahlverhalten an. Beide Geschlechter wählten mit 37% die CSU. Betrachtet man das Bild jedoch genauer, so differenziert sich das Bild. Die CSU führte nur bei den älteren Frauen deutlich vor den Männern. Bei den Grünen beträgt der geschlechtsspezifische Unterschied bei den Wählern 4% zugunsten der Frauen. Darüber ist nachzudenken.
Die CSU hat heute bei den Mitgliedern einen Frauenanteil von knapp über 20%. Zwar steigt der Anteil der Frauen bei den Neueintritten, dennoch ist der Anteil (nach der AFD) der zweitschlechteste bei den im Bundestag vertretenen Parteien. Da hilft es auch wenig, dass die Frauen-Union als Arbeitsgemeinschaft der CSU durch die Parteisatzung (als einzige Arbeitsgemeinschaft) die Aufgabe zugewiesen bekam, der Partei Kandidatinnen für öffentliche Wahlen vorzuschlagen. Die Forderungen der FU nach einer höheren Berücksichtigung laufen ins Leere, wenn der Anteil der Parteimitglieder so gering bleibt und in den Aufstellungsgremien entsprechend wenige Frauen sitzen. Leider ist schwer zu beweisen, dass mehr Frauen in politischen Funktionen den Frauenanteil an den Parteimitgliedern erhöhen oder sich gar die Wahlentscheidung der Wählerinnen daran orientieren würden.
Dennoch ist die Frage der Repräsentanz in Partei und politischen Institutionen nicht unwichtig, so unterschiedlich die Begründungen hierfür auch lauten. 1947 war Josef Müller, einer der Gründer der CSU, noch der Meinung, dass es Aufgabe der Frauen in der Union sei, das ausgleichende Element zu sein und die Liebe in die Union zu bringen, oder einige sahen in den Frauen das schmückende Beiwerk. Die inhaltliche Frage trat meist in den Hintergrund, auch wenn die Leistungen immer mehr anerkannt wurden. Die Frage, welche Anzahl von Frauen angemessen sei, spielte jedoch in den Satzungen immer eine Rolle. Zunächst genügte die Aufforderung „darunter eine Frau“ für die Besetzung der Parteigremien, was nicht selten missverstanden wurde als „1 Frau“. Die heutige Satzung schreibt vor, dass eine Parität anzustreben ist und für den Bezirks- und Landesvorstand eine 40%-Quote gilt. Unumstritten war diese bei der Einführung 2010 nicht und die kontroverse Diskussion auf dem Parteitag 2019 belegte es erneut: Von der Basis und auch einigen jüngeren Frauen wurde ihre Ausweitung auf die unteren Gremien abgelehnt, obwohl der Parteivorstand und die Zukunftskommission entschieden für eine verbindliche Quote kämpften.
Nun geht die Diskussion weiter. Es soll überprüft werden, inwieweit sich der Anteil von Frauen „freiwillig“ verbessert. Gerade langjährige weibliche Parteimitglieder sind skeptisch, nicht wenige Prominente wurden von ehemaligen Quotengegnern zu Befürwortern. Leider ist bei der Einführung einer Quote die Problematik nicht so leicht zu lösen wie 1968. Damals wollte man eine Frau als stellvertretende Parteivorsitzende einführen: Man schaffte einfach für Mathilde Berghofer-Weichner einen zusätzlichen Posten, aus zwei wurden drei Stellvertreter. Die heutigen Vorstände sind nicht unendlich zu vergrößern. Jede Position, die heute von einer Frau besetzt werden soll, muss – mehr oder minder freiwillig - freigemacht werden. Also handelt es sich wahrscheinlich um eine Machtfrage. Die jeweiligen Parteivorsitzenden haben die Frauenfrage jedoch als Zukunftsfrage erkannt.