Junge Union - Kaderschmiede für die Zukunft

Sarah Schmid

1. Ziele, Zahlen und Strukturen

Mit 20.391 Mitgliedern[1], 106 Kreisverbänden und 730 Ortsverbänden ist die Junge Union Bayern (JU) die größte politische Jugendorganisation des Freistaats und zugleich auch die zweitmitgliederstärkste Arbeitsgemeinschaft in der CSU.  Sie gehört darüber hinaus auch als Landesverband der Jungen Union Deutschland an und weist im bundesweiten Querschnitt der JU-Landesverbände die zweitgrößte Mitgliederstärke auf.

Ziel der Jungen Union ist es, „die Anliegen der Jugend in der CSU und auf der Grundlage des Grundsatzprogramms der CSU in der Öffentlichkeit“ (Satzung der Jungen Union Bayern, in der Fassung vom 30.01.2017, §2) zu vertreten. Sie agiert folglich als „zielgruppenspezifisches Integrations- und Identifikationsinstrument“ (Weigl 2013: 137).

Eine Mitgliedschaft in der Jungen Union kann ab dem 14. Lebensjahr beantragt werden. Mit der Vollendung des 35. Lebensjahres endet sie – es sei denn, das Mitglied übt zu diesem Zeitpunkt noch ein in der Satzung vorgesehenes Amt aus. 28% der Mitglieder sind weiblich und 72% männlich.

 


[1] Stand: 15.01.2021. Die Autorin dankt der Landesgeschäftsführerin der Jungen Union Bayern Nicola Gehringer, die für diesen Beitrag aktuelle Rahmendaten zur Verfügung gestellt hat.

2. Gründung und Entwicklung der Jungen Union Bayern

Die Initialzündung für die Entstehung einer christsozialen politischen Nachwuchsorganisation bildet die Gründung des CSU-Jugendausschusses am 24. Februar 1946 in München, zu dessen Vorsitzenden Franz Steber gewählt wird. Als Impulsgeber agiert unter anderem auch der CSU-Vorsitzende Josef Müller, der – nach dem Zivilisationsbruch des Dritten Reiches – für die Jugend Perspektiven eines demokratischen Neuanfangs und einer politischen Partizipation im Rahmen einer pluralistischen Demokratie eröffnen will. Am  11. und 12. Januar 1947 sprechen sich im Regensburger Kolpinghaus schließlich hundert Delegierte für die Gründung der Jungen Union Bayern als landesweites Netzwerkes aus, dem bis Mai 1948 noch eine dreiköpfige Kollegialvertretung in wechselnder Besetzung vorsteht. Kurz darauf konstituiert sich auch die Junge Union Deutschlands.
Der Aufbau einer bayernweiten politischen Jugendorganisation erweist sich in den ersten Nachkriegsjahren als organisatorisches und logistisches Mammutprojekt, das mit geringen Ressourcen bewältigt werden muss. Um beispielsweise Gründungsversammlungen von Orts- und Kreisverbänden durchführen zu können, ist der damalige JU-Landesvorsitzende Franz Sackmann anfangs auf sein Fahrrad angewiesen und es sollen noch eineinhalb Jahre vergehen, bis der Jungen Union hierfür ein Auto zur Verfügung gestellt wird. Nichtsdestoweniger wächst die Jugendorganisation stetig und weist bereits im Dezember 1947 13.000 Mitglieder auf. Auch an der Wahlurne reüssiert sie: Bei den erste Bundestagswahlen 1949 zieht der Kandidat der JU Bayern, Franz Josef Strauß, über die CSU-Landesliste ins Parlament ein.

Dieser Konsolidierungsprozess setzt sich in den folgenden Jahrzehnten fort. In den 1950ern erfolgt der Aufbau eines Landessekretariats und ab 1953 bietet die JU ein eigenes Seminarangebot für ihre Mitglieder an. Darüber hinaus entwickelt sich innerhalb der Jugendorganisation ein differenziertes Ausschusswesen. Den Anfang bilden dabei die Politikfelder Wirtschafts- und Sozialpolitik (1953) und Sicherheit- und Verteidigungspolitik (1955). 1955 etabliert sich nicht zuletzt auch die Konvention, dass einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Union Deutschlands aus den Reihen der JU Bayern hervorgeht.

In den 1960ern und 1970ern folgen weitere prägende institutionelle Wegmarken. So wird 1969 das Höchstalter für eine Mitgliedschaft von 40 auf 35 Jahre gesenkt, gleichzeitig setzt sich die JU erfolgreich für ein aktives und passives Wahlrecht ab 18 Jahren ein.  1973 konstituiert sich zudem die Schülerunion, die bis 2016 Teil der Jungen Union Bayern ist. Nicht zuletzt sind diese Jahrzehnte von einem kontinuierlichen Wachstumsprozess geprägt, der 1981 mit 51.000 Mitgliedern seinen Kulminationspunkt erreicht.

 

 

Eine starke Präsenz des Verbands in der Fläche und eine tiefe Verankerung im vorpolitischen Raum werden seitens der Jungen Union als struktureller Wesenskern und politischer Standortvorteile zugleich perzipiert und entsprechend gefördert. So gibt auch der amtierende Landesvorsitzende Christian Doleschal als Zielrichtung „in jeder zweiten bayerischen Kommune ein Ortsverband“ aus. Neben dieser Priorisierung einer lokalen Verwurzelung kristallisiert sich mit Blick auf die politische Kommunikation des Verbandes gleichzeitig im 21. Jahrhundert eine Anpassung an gewandelte Rahmenbedingungen heraus.
So spiegelt sich die zunehmende Relevanz digitaler Kampagnenfähigkeit an der Präsenz der Jungen Union in den sozialen Netzwerken wider, die in den 2000ern und 2010ern sukzessive auf- und ausgebaut wird. Seit 2010 ist die Jugendorganisation auf Facebook vertreten, wo sie durchschnittlich 12.000 User erreicht. Hinzu kommen Twitter (2011), Instagram (2013), Snapchat (2017) und TikTok (2020).  Auch digitale Veranstaltungsformate und Seminarangebote, wie beispielsweise das Digital Bavarian Camp gewinnen  in diesem Kontext immer mehr an Bedeutung.

3. Profil und Aufgaben der Jungen Union Bayern

3.1. Kaderschmiede und Personalreservoir

In ihrer Satzung gibt sich die Junge Union Bayern die Aufgabe, „nachwachsende Generation an die CSU heran[zuführen]“ (Satzung der Jungen Union Bayern, in der Fassung vom 30.01.2017, §2), unter anderem durch die Aufstellung junger Kandidaten für öffentliche Wahlen. Darüber hinaus schlägt sie auch eine personelle Brücke zur Mutterpartei, indem sie festlegt, dass die „Vorsitzenden aller Organisationsebenen, ihre Stellvertreter sowie die Mitglieder des Landesausschusses, die das 16. Lebensjahr vollendet haben“ (Satzung der Jungen Union Bayern, in der Fassung vom 30.01.2017, §3, Abs. 3), Mitglieder der CSU sein müssen. Dieser Passus findet eine spiegelbildliche Entsprechung in der Satzung der CSU. Gemäß dieser ist der JU-Vorsitzende eines Ortsverbands qua Amt auch Teil des Vorstandes des CSU-Ortsverbandes (Satzung der Christlich-Sozialen Union Bayern, in der Fassung vom 19.10.2019, §16, Abs. 7). Gleiches gilt für die Kreisebene (§19, Abs. 7), Bezirksebene (§22, Abs. 6) und Landesebene (§26, Abs. 13).

Diese Bestimmungen reflektieren die Rekrutierungsfunktion, die der Jungen Union in der Fachliteratur zugeschrieben wird. In jener wird die Arbeitsgemeinschaft häufig als „Kaderschmiede“ oder „Führungskräftereservoir“ charakterisiert. Weigl sieht das Engagement in der Jungen Union gar als „beinahe obligatorische[n] Abschnitt der Ochsentour“ (Weigl 2013: 108) und attestiert ihr, ein „wesentliche[r] parteiliche[r] Sozialisationskanal“ (Weigl 2013: 215) zu sein. Ursächlich hierfür sei zum einen die langfristige Netzwerkbildung, die im Rahmen einer Sozialisation in der Jungen Union ablaufe und zum anderen die gestiegene Sichtbarkeit und institutionelle Rückkoppelung, von der christsoziale Jungpolitikern mit Führungsämtern in der JU profitierten.

Ein Blick auf die Empirie stützt diesen Befund: Nimmt man alleine den späteren Werdegang der siebzehn Landesvorsitzenden seit Gründung des Verbandes in den Blick, so sind aus ihm zwei Oberbürgermeister, drei Landräte, zehn Landtagsabgeordnete, fünf Bundestagsabgeordnete, vier Europaparlamentarier, acht Staatssekretäre, acht Minister auf Landes- oder Bundesebene und zwei Ministerpräsidenten hervorgegangen. Darüber hinaus hatten und haben drei (ehemalige) JU-Landesvorsitzende das Amt des CSU-Generalsekretärs und zwei das des Parteivorsitzenden inne.

 

Auch eine Studie von 2006 stützt die These der Jungen Union als Personalreservoir: Sie weist nach, dass CSU-Spitzenpolitiker, die über einen Hintergrund in der Jungen Union verfügen, der Sprung in Parteiämter und Berufspolitik im Schnitt deutlich früher gelungen ist. 70,2 Prozent der befragten Politiker geben zudem an, dass ihre JU-Mitgliedschaft für den weiteren politischen Karriereweg entweder hilfreich oder sogar „unabdingbar“ gewesen sei. Diese Beobachtung scheint auch fünfzehn Jahre später nicht an Gültigkeit verloren zu haben: Im amtierenden zweiundvierzigköpfigen Parteivorstand der Christsozialen weisen nur sieben der Gremiumsmitglieder keine aktuelle oder vergangene Mitgliedschaft in der JU auf. Von den zehn CSU-Ministern im Bayerischen Kabinett haben sieben ihren politischen Werdegang in der Jungen Union begonnen. Auf Bundesebene trifft dies auf vier von fünf Minister mit christsozialem Parteibuch zu.

Die erste Station im christsozialen Karriereweg stellt jedoch traditionell die Kommunalpolitik dar. Gleiches gilt auch für die Junge Union, die eine starke kommunalpolitische Verankerung aufweist und nach den bayerischen Kommunalwahlen 2020 drei Landräte, 60 Bürgermeister, 149 Kreisräte und 596 Gemeinderäte stellt. Bedingt durch eine Änderung des Kommunalwahlrechts konnten 2020 zudem erstmalig Listen der Jungen Union Bayern zur Wahl antreten. Alle angetreten JU-Listen haben im ersten Schritt die Sammlung der Unterschriften zur Zulassung als Wahlvorschlag erreicht. Darüber hinaus wurde für jede angetretene Wahlliste mindestens ein Vertreter in das kommunale Gremium gewählt.

 

 

 

 

 

3.2. Programmatischer Taktgeber und Seismograph

Bereits 1997 identifiziert Prof. Dr. Reinhard Meier-Walser drei Konstanten, die die Programmatik der JU Bayern seit ihrer Gründung prägen. Dabei handelt es sich um die Themenschwerpunkte „Jugend und Zukunft“, „Grundsatz und Werteorientierung“ sowie „Reform“. 

Wie die Leitanträge der JU-Landesversammlungen reflektieren, setzt sich die Arbeitsgemeinschaft im Bereich der programmatischen Zukunftsplanung insbesondere mit den Folgen globaler Megatrends, sozioökonomischer Wandlungsprozesse und technologischer Innovation auseinander: Während dies beispielsweise in den 1980ern zu einer Beschäftigung mit Gentechnik und Atomenergie führt, dominieren in den 2010ern die folgenden Themen: bezahlbarer Wohnraum und Eigentumserwerb für junge Familien (Leitantrag „Bayern ein Zuhause geben“ von 2020), die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie (Leitantrag „Zukunft gestalten – Schöpfung erhalten!“ von 2019 sowie „Energiewende – erfolgreich, zukunftsorientiert, generationsgerecht“ von 2014), die Gestaltung der digitalen Transformation (Leitantrag „Bayern. Digital“ von 2018), die Bewältigung globaler Megatrends wie Automatisierung, Urbanisierung und des demographischen Wandels (Leitantrag „Bayern 2030 – Weichen stellen für die Zukunft“ von 2017), die Stärkung der Europäischen Union (Leitantrag „Europa. Unsere Zukunft“ von 2016) oder die Gründerkulturförderung (Leitantrag „Gründer. Land. Bayern.“ von 2015).

 

Auch wenn sich die dominierenden Schwerpunktthemen im Laufe der Zeit gewandelt haben, weisen die zugrundeliegenden Werte und Grundsätze doch eine hohe Konstanz auf und fungieren als normative Klammer. An erster Stelle ist hier das christliche Menschenbild zu nennen, das nicht nur ein Kernelement der Würzburger Beschlüsse von 1950 bildet, sondern auch im Zentrum des aktuellen Grundsatzprogramms der Jungen Union Bayern steht. Vor diesem Hintergrund wird etwa der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nicht nur als zweckrationaler Staatsauftrag, sondern explizit auch als normative Pflicht, die Schöpfung zu bewahren, verstanden.

Zweitens zieht sich das Motiv der Generationsgerechtigkeit als roter Faden durch die Programmatik der Jungen Union. Dies manifestiert sich insbesondere an den Forderungen, die langfristigen Folgen politischer Entscheidungen für die kommenden Generationen stärker zu berücksichtigen, die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren. Drittens kristallisiert sich im zeitlichen Querschnitt ein konstantes Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip und zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse heraus.

Mit Blick auf ihre inhaltliche Arbeit wird der Jungen Union Bayern attestiert, als gesellschaftlicher „Seismograph“ (Theo Waigel), Zukunftstrends frühzeitig auf die politische Agenda zu setzen, dabei als „Motor und Gewissen“ (Hanns Seidel) der CSU zu agieren und die Rolle einer programmatischen „Avantgarde“ (Markus Söder) einzunehmen. Gleichzeitig ergibt sich aus dieser Gemengelage aber auch das Potenzial für Konflikte mit der Mutterpartei, wenn konträre programmatische Forderungen aufeinandertreffen. Ihren Widerhall findet diese Konstellation im viel zitierten Diktum, dass die Junge Union „Motor und Stachel im Fleisch der CSU“ zugleich sei.

So hält auch der damalige JU-Landesvorsitzende Theo Waigel fest, dass seitens der Jungen Union eine „fruchtbare Distanz“ und „kritische Loyalität“ zur Mutterpartei von Nöten sei, um dem eigenen Auftrag als konstruktives Bindeglied zwischen der Jugend und CSU gerecht werden zu können. Gleichzeitig wird aber eine reine „Profilierung durch Distanzierung“ (Otto Wiesheu) abgelehnt und die grundlegenden Werte der Mutterpartei zu keinem Zeitpunkt fundamental in Frage gestellt. Nicht zuletzt erfuhren auch strittige JU-Forderungen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in einigen Fällen doch eine Umsetzung, wie der ehemalige JU-Landesvorsitzende Alfred Sauter festhält: Im Sinne eines „Erstgeburtsrechts“ würden sie dann von der Mutterpartei als eigene Initiative deklariert und umgesetzt.

 

3.3. Verstärker christsozialer Kampagnenfähigkeit

Traditionell gilt die Junge Union in Wahlkampfzeiten als Kampagnenmacher der CSU. Prononciert zeigt sich diese Dynamik an Beispielen wie der „Jugend für Stoiber“, „Team Beckstein 08“ oder „Manfred Weber – ein Bayer für Europa“.  Insbesondere die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß 1980 und Dr. Edmund Stoiber 2002 zeichnen sich durch einen starken Mobilisierungseffekt seitens der Jungen Union aus.

Darüber hinaus entwickelt die Junge Union Bayern eigene, zielgruppenorientierte Wahlkampfkampagnen, mit denen gezielt junge CSU-Kandidaten unterstützt oder jugendspezifische Sachthemen hervorgehoben und in einer an die Zielgruppe angepasste Ästhetik aufbereitet werden. Mit Blick auf die immer relevanter werdende digitale Kampagnenfähigkeit stellt sie ihren Verbänden zudem Templates im Corporate Design des Verbands für den Wahlkampf in den sozialen Netzwerken zur Verfügung.

Literatur

Gruber, Andreas K. (2010): Auf dem Weg zur politischen Führung: Die Junge Union als Kaderschmiede, in: Sebaldt, Martin et al. (Hrsg): Die CSU. Strukturwandel, Modernisierung und Herausforderungen einer Volkspartei, Wiesbaden, S. 479-501.

Höpfinger, Renate (1997): Ein Zeitzeuge erinnert sich, in: Junge Union Bayern (Hrsg): 50 Jahre Junge Union Bayern. Zukunft einer Volkspartei, München, S. 45-64.

Huber, Thomas (2020): Die Balance zwischen Kontinuität und Wandel. Die Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise der CSU, in: Sebaldt Martin et al. (Hrsg.): Christlich-Soziale Union. Politisches Kapital und zentrale Herausforderungen der CSU im 21. Jahrhundert, Wiesbaden, S. 181-205.

Junge Union Bayern (1997): 50 Jahre Junge Union Bayern. Zukunft einer Volkspartei, München.

Kießling, Andreas (2004): CSU. Machterhalt und Machterneuerung, Wiesbaden 2004.

Meier-Walser, Reinhard (1997): Auftrag, Funktion und Profil der Jungen Union Bayern im Prozeß des gesellschaftlichen Wandels, in: Junge Union Bayern (Hrsg): 50 Jahre Junge Union Bayern. Zukunft einer Volkspartei, München, S. 97-117.

Nerl, Tobias (2010): Auf Stimmen- und Mitgliederfang im vorpolitischen Raum – die Rolle der Arbeitsgemeinschaften, in: Sebaldt, Martin et al. (Hrsg): Die CSU. Strukturwandel, Modernisierung und Herausforderungen einer Volkspartei, Wiesbaden, S. 393-419.

Weigl, Michael (2013): Die CSU. Akteure, Entscheidungsprozesse und Inhalte einer Partei am Scheideweg, Baden-Baden.