Online-Mitgliedschaft in der CSU

Gerhard Hirscher

 

Die Volkspartei CSU hat immer von ihrer starken Mitgliederbasis profitiert. Ohne eine (im Vergleich zu anderen Parteien in Deutschland) hohe Mitgliederzahl wäre der Erfolg der Partei kaum denkbar gewesen. Die starke Verankerung in allen Teilen der Bevölkerung Bayerns war über Jahrzehnte ein zentrales Element der Parteiarbeit gewesen. Dies soll in der digitalen Welt auch so bleiben: Die Ausbreitung der elektronischen Kommunikation in Politik und Gesellschaft führt nicht zu einer Entwertung der Parteimitgliedschaft. Aber insbesondere die erzwungene Absenz von direkten Kontakten in der Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass sich die elektronische Kommunikation in der Politik und auch in den Parteien rascher ausbreiten musste als geplant.

Mitglieder – das Kapital der Volkspartei

Führt der Rückgang der direkten Kontakte im Ortsverband und bei Parteiveranstaltungen zu einer Entwertung der Mitgliedschaft; wird das klassische Parteimitglied überflüssig? Ganz im Gegenteil: Die CSU baut auch künftig auf ihre Mitglieder und es sollen sogar noch mehr werden. „Wir haben ein Ziel: Wir wollen wieder 150.000 CSU-Mitglieder sein. Wir überlassen den Grünen nicht das Feld! Wir sind die moderne Volkspartei, niemand anderes.“ So hieß es in eine Mail von Generalsekretär Markus Blume an alle Mitglieder vom 23. April 2021. Die Botschaft ist klar: Der Anspruch, Volkspartei zu sein, wird nicht aufgegeben; die Mitglieder bleiben auch im Internet-Zeitalter das größte Kapital der Volkspartei.

Nach dem Reformparteitag 2019

Dieser Appell für und an neue Mitglieder fand sehr große Resonanz, weil sie in die öffentliche Debatte um die Spitzenkandidatur zur Kanzlerschaft für die Bundestagswahl im September 2021 fiel. Diese Aktion wurde auch deswegen so stark wahrgenommen, weil vor allem die Möglichkeit zur Online-Mitgliedschaft in den Vordergrund gestellt wurde. Dabei ist dieses Instrument keinesfalls neu: Auf dem Parteitag am 18. und 19. Oktober 2019, der unter dem Titel stand „Aufbruch in eine neue Zeit. CSU: Die Volkspartei des 21. Jahrhunderts“ und als „Reformparteitag“ bezeichnet wurde, ist diese Möglichkeit bereits in der Satzung verankert worden. Seitdem haben Bürger die Möglichkeit, „normales“ Mitglied in der CSU werden zu können, ohne einem Ortsverband angehören zu müssen.

Das Territorialprinzip, das für die Struktur einer Volkspartei eine grundsätzlich sinnvolle Regelung darstellt, wurde zugunsten von mehr Flexibilität eingeschränkt. Damit sollte den Realitäten einer modernen Berufswelt mit mehr Mobilität und permanenter elektronischer Erreichbarkeit unabhängig vom Wohnort Rechnung getragen werden. Im Leitantrag zur Parteireform wurde dies so begründet: „Ortsungebundene Online-Mitgliedschaft einführen. (§§ 3a, 4, und 6 sowie § 1 Beitragsordnung). Wir brauchen neue Möglichkeiten der Mitgliedschaft. Mit der Online-Mitgliedschaft ermöglichen wir digitale Teilhabe und inhaltliche Mitgestaltung in unserer Partei und schaffen ein Angebot für all jene, die sich ortsungebundenen engagieren möchten.

Der Beitritt ist von überall her möglich, die Aufnahme erfolgt zentral und unmittelbar über die CSU-Landesleitung. Die Online-Mitgliedschaft kann jederzeit zu einer ordentlichen Mitgliedschaft erweitert werden.“ (S. 3). Das gesamte „Handlungsfeld 1“ dieses Leitantrags drehte sich darum, die bestehende Mitgliederbasis zu erhalten und zu aktivieren und neue Mitglieder zu gewinnen. Damit sind neben der klassischen Mitgliedschaft schon auf diesem Parteitag die Grundlagen für weitere Formen der Mitarbeit gelegt worden: Neben der neuen ortsungebundenen Online-Mitgliedschaft (mit reduziertem Beitrag) wurden eine erweiterte Probemitgliedschaft, eine Gastmitgliedschaft und eine Familienmitgliedschaft eingeführt oder erweitert.

Online-Mitgliedschaft – neue Form der Mitarbeit

Gegenwärtig sehen die Stufen der Mitgliedschaft in der CSU so aus: Als Online-Mitglied in Deutschland hat man die Möglichkeit des ortsungebundenen Engagements und kann sich an der digitalen Parteiarbeit beteiligen. Als Voll- und Probemitglied kann man an den Verbänden vor Ort mitwirken. Für CSU-Gremien können Voll- und Probemitglieder kandidieren, aber nur die Vollmitglieder haben Wahl- und Stimmrecht bei Versammlungen. Alle drei Stufen haben Zugang zum internen Mitgliederbereich, können an digitalen Events teilnehmen und sich an Online-Umfragen, Online-Schulungen und anderen digitalen Formaten beteiligen. Die kostenlose Probemitgliedschaft geht nach zwei Jahren automatisch in die kostenpflichtige Vollmitgliedschaft über.

Diese neuen Möglichkeiten wurden in der Folge durchaus genutzt. Sie haben auch Interesse außerhalb Bayerns gefunden – dies war durch die Abkehr vom reinen Territorialprinzip auch erwünscht. Daher verwundert es nicht, dass sich für die Online-Mitgliedschaft von Anfang an Interessenten außerhalb Bayerns gemeldet haben – so war der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak der erste, der sich nach Inkrafttreten dieser Regelung als Online-Mitglied angemeldet hat (FAZ, 22.4.2021). Allerdings ist das Interesse nach der Konkurrenz um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl stark angestiegen. Laut CSU-Landesleitung seien mehrere hundert Anträge innerhalb weniger Tage eingegangen. In der ersten Woche seien es laut Generalsekretär Markus Blume bis zu 3.000 Anmeldungen gewesen. Allerdings habe es auch einen Hackerangriff mit mehreren Tausend Fake-Anmeldungen gegeben, für den die Gruppe Anonymous Germany die Verantwortung übernahm. Die IT-Abteilung der Partei sei aber schnell in der Lage gewesen, diese Anmeldungen zu identifizieren (Zeit, 27.4.2021).

Ob innerhalb Bayerns oder darüber hinaus: Die Möglichkeit, als Mitglied online mitarbeiten zu können, wird sich auch in Zukunft weiter ausbreiten. In den Monaten des Lockdowns und der Ausgangsbeschränkungen wegen der Pandemie wurden Parteiveranstaltungen auf allen Ebenen – vom Ortsverband zum Landesvorstand – auf elektronische Kommunikation umgestellt. Zwar waren aufgrund des Parteienrechts dennoch vereinzelte Präsenzveranstaltungen für Wahl- oder Nominierungsveranstaltungen nötig, die große Masse der innerparteilichen Kommunikation fand und findet mittlerweile über das Internet satt. Dies hat den Vorteil, dass trotz eingeschränkter Mobilität der Austausch und die Willensbildung in der Partei fortgeführt werden können. Der Nachteil liegt auf der Hand: Selbst die beste elektronische Kommunikation kann den direkten Kontakt nicht immer ersetzen. Aber nach Corona wird sich die Digitalisierung der Parteien und auch der CSU in jedem Fall fortsetzen. In der Zukunft werden sicher noch viel mehr Diskussionen und Entscheidungen auf elektronischem Wege durchgeführt werden. Dies kann die innerparteiliche Debattenkultur verändern. Die jüngeren Generationen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, werden sich darin vielleicht besser zurechtfinden als in einer Mitgliederpartei, die sich zumeist in Nebenzimmern von Gaststätten trifft. Eine institutionalisierte Online-Mitgliedschaft bietet darüber hinaus Bürgern außerhalb Bayerns (im restlichen Deutschland und darüber hinaus) die Möglichkeit, sich am Parteileben regelmäßig und aktiv mit eigenen Beiträgen zu beteiligen. Dies würde die Volkspartei des 21. Jahrhunderts auf eine neue Ebene heben.