Insgesamt waren die weltpolitischen wie deutschlandpolitischen Rahmenbedingungen Ende April 1983 alles andere als ideal für Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Zum einen stand die Stationierung von Mittelstreckenraketen gemäß dem NATO-Doppelbeschluss an, zum anderen belastete der schon erwähnte mysteriöse Tod von Rudolf Burkert das innerdeutsche Verhältnis. In diesem schwierigen Umfeld begann der mit Strauß befreundete Fleischhändler Josef März den Kontakt mit dem Leiter der Kommerziellen Koordinierung Alexander Schalck-Golodkowski anzubahnen.
Auf die Vermittlung des gemeinsamen Kontaktmanns März fand am 5. Mai 1983 auf dem oberbayerischen Gut Spöck ein erstes Treffen statt, das keinen Anschein einer konspirativen Zusammenkunft vermissen ließ. Bei diesem ersten Gespräch, dessen konstruktive Atmosphäre sowohl Schalck-Golodkowski als auch Strauß betonten, brachte der DDR-Staatssekretär seine Wünsche nach einem Kredit in Milliardenhöhe zur Sprache. Der Bayerische Ministerpräsident seinerseits machte deutlich, dass es zu Erleichterungen im gegenseitigen Grenzverkehr zwischen der Bundesrepublik und der DDR kommen müsse, um eine gemeinsame Gesprächsgrundlage zu haben. Sollte es zu diesen Verbesserungen kommen, signalisierte er seine Bereitschaft zu weiteren Gesprächen.
Als möglichen Weg zur Gewährung eines Kredits bot Strauß seinem Verhandlungspartner einen Kredit in zwei Auszahlungsraten in Höhe von jeweils 500 Millionen D-Mark an, ohne diese an ein Junktim der Gegenleistung zu knüpfen. Die Absicherung der Kredite sollte dabei durch eine Verpfändung der Transitpauschale erfolgen. Damit war gewährleistet, dass die, durch ein Konsortium aus Privatbanken gegebene Bürgschaft des Bundes durch diese Gelder gedeckt waren, also kein Risiko für den Bundeshaushalt entstand. Auf Basis der einfachen Formel „Vertrauen gegen Vertrauen“ hatte der CSU-Vorsitzende eine Gesprächsbasis mit Schalck-Golodkowski gefunden, auf welcher in den kommenden Monaten aufgebaut werden konnte. Beide, Strauß und Schalck-Golodkowski, informierten Bundeskanzler Helmut Kohl bzw. SED-Generalsekretär Erich Honecker über das Ergebnis ihres Treffens.
Schon knapp einen Monat nach ihrer ersten Zusammenkunft trafen der Bayerische Ministerpräsident und der DDR-Staatssekretär erneut zusammen. Hierbei verlas der DDR-Unterhändler ein Schreiben von Honecker, welches unter dem Deckmantel der Vertraulichkeit sehr weitreichende Gegenleistungen der DDR für den Fall einer Kreditvermittlung in Aussicht stellte, allerdings ohne diese verbindlich in einem Vertrag zum Kredit zu fixieren: „Beseitigung der Selbstschussanlagen vom kommenden Herbst – 1983 – an, Änderung in Art und Ton der Grenzabfertigungen, wesentlich erleichterte Familienzusammenführungen, Verbesserungen im Reiseverkehr und weitere Punkte.“
Bei einem dritten Treffen, an dem auch Philipp Jenninger teilnahm, wurden die abschließenden Regelungen für den Kredit geregelt. Dabei erlangte man zwar in der Rückschau Kohls kein festes, verbindliches Junktim der Erleichterungen, doch war die notwendige Vertrauensbasis gelegt. Unter der Federführung der Bayerischen Landesbank wurde ein Bankenkonsortium gebildet, welches die Auszahlung vornahm. Die Absicherung war durch eine Bürgschaft der Bundesregierung erfolgt, die wiederum durch die Transitpauschale gesichert war. Diese wurde am 29. Juni 1983 der Öffentlichkeit bekannt.
Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Vermittlung des Kredits durch den Bayerischen Ministerpräsidenten waren alles andere als Begeisterungsstürme. In der breiten Öffentlichkeit machte sich großes Unverständnis darüber breit, dass ausgerechnet der schärfste Kommunistengegner Deutschlands einen Kredit in Milliardenhöhe für die marode DDR eingefädelt hatte. Die Medien warfen Strauß in der Folge Wankelmütigkeit und Wendehalsigkeit vor.
Gerade in diese Phase fiel der Wahlparteitag der CSU 1983. Der langjährige Wegbegleiter von Strauß, Friedrich Voss, sprach von einer sehr aufgeheizten Stimmung, welche nicht nur von den sommerlichen Temperaturen herrührte. In der Erwartung einer hitzigen Debatte ließ man seitens der Landesleitung eine umfassende Erklärung des Parteivorsitzenden verteilen, die seine Beweggründe erläuterte. Dabei machte er unmissverständlich deutlich, dass der Kredit ohne Zinssubventionen, ohne Risiko, ohne Belastung des bundesdeutschen Steuerzahlers und ohne Belastung des deutschen Kapitalmarkts abgewickelt würde. Ebenso arbeitete er heraus, dass sowohl der Bundeskanzler als auch Landesgruppen-Chef Theo Waigel von dem Vorgehen informiert waren und dass es keine politischen Abmachungen irgendwelcher Art mit der DDR gegeben habe, wenngleich es zu merklichen Verbesserungen der gegenseitigen Beziehungen der Bundesrepublik und der DDR, ganz besonders mit Blick auf die Abfertigung an der gemeinsamen Grenze gäbe. Die schriftlich vorgelegten Argumente wiederholte Strauß nochmals in seiner Rede als Vorsitzender. All diese Argumente zeigten nur geringe Wirkung: Bei den turnusmäßigen Neuwahlen erzielte Strauß lediglich 77,1 Prozent der Delegiertenstimmen und damit das schlechteste Ergebnis seiner gesamten politischen Laufbahn als Landesvorsitzender der Christlich-Sozialen Union. In der Folge des Parteitags erfasste die gesamte Partei eine Austrittswelle, die unter anderem zur Gründung der Republikaner führte.
Betrachtet man die Reaktionen auf den Milliardenkredit, so ist festzustellen, dass das Agieren von Strauß in dieser Frage sehr häufig missverstanden wurde. Aber auch Strauß äußerte eine gewisse Selbstkritik: „Das Unverständnis, der Widerstand, der Aufruhr der Gefühle hierzulande waren für mich in diesem Ausmaß überraschend. Auch manche Schwerfälligkeit in der CSU hatte ich nicht richtig eingeschätzt. Ich hatte wohl nicht genügend bedacht, dass das an sich gutwillige, politisch disziplinierte Gros unserer Mitglieder und Abgeordneten in festen Vorstellungen lebte und eine Handlungsweise, die man öffentlich nicht erläutern und begründen kann, nicht immer gleich versteht.“
Wenige Monate, nachdem der Pulverdampf der Aufregung über den ersten Milliardenkredit verflogen war, verhandelte Strauß mit Schalck-Golodkowski einen zweiten Kredit in ähnlicher Höhe. Der öffentliche Aufschrei darüber blieb indes aus. Kritiker behaupten, der von Strauß vermittelte Kredit hätte den Zusammenbruch der DDR über Jahre hinausgezögert, und damit das SED-Regime gerettet. Sicherlich ist festzustellen, dass der Milliardenkredit einerseits das wirtschaftliche System der DDR stabilisierte. Andererseits gilt es zu sehen, dass das durch den Deal entstandene Vertrauen von Strauß in den Folgejahren immer wieder genutzt wurde, um sich persönlich für Ausreisewillige aus der DDR einzusetzen und menschliche Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger in der DDR zu erreichen. So wurden Grenzkontrollen an der deutsch-deutschen Grenze entschärft und die Selbstschussautomaten abgebaut. Fraglich bleibt auch, ob bei einem wirtschaftlichen Zusammenbruch der DDR 1983/84 mögliche Unruhen nicht doch von der Sowjetunion unterdrückt worden wären.
Bayerischer Landtag: Drucksache 12/16598.
Franz Josef Strauß, Erinnerungen, Berlin 1989.
Alexander Schalck-Golodkowski, Deutsch-deutsche Erinnerungen, Hamburg 2000.
Veronika Heyde: Die Rolle von Franz Josef Strauß bei der Vergabe der Milliardenkredite an die DDR 1983/84, in: Renate Höpfinger (Hrsg.): Vom Überwinden der Mauer (Bayerische Lebensbilder 3. Biographien – Erinnerungen – Zeugnisse) München 2015, S. 99-121.
Dokumente zur Deutschlandpolitik. 7. Reihe, 1. Oktober 1982 bis 3. Oktober 1990. Band 1. 1. Oktober 1982 bis 31. Dezember 1984, Frankfurt a. M. 2018.
Stephan Oetzinger, Die Deutschlandpolitik der CSU. Vom Beginn der sozial-liberalen Koalition 1969 bis zum Ende der Zusammenarbeit mit der DSU 1993, Diss. Universität Regensburg 2016.