Am 8. Dezember 1946 trat die mit 70% Zustimmung von der Bevölkerung angenommene neue bayerische Verfassung in Kraft. Ihre eindrucksvolle Präambel geht auf den Vorschlag des CSU-Politikers und späteren Kultusministers Alois Hundhammer zurück: „Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen […] geführt hat.“ Hier klingt ein „Nie mehr wieder!“ an, das Motiv, das wohl auch für den in parteiübergreifender Einmütigkeit verabschiedeten Artikel 141 maßgeblich gewesen ist. In diesem Artikel weist die Verfassung dem Staat, den Gemeinden und den Körperschaften des Öffentlichen Rechts (z. B. den Kirchen) als vorrangige Aufgaben zu, „kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten […] die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft zu schützen und zu pflegen.“ Damit hat der Denkmalschutz in Bayern Verfassungsrang – seit 1946!
Das Papier von Verfassungen ist bekanntlich geduldig. Den Alltag bestimmen die Gesetze! Bestrebungen, den Denkmalschutz in Bayern gesetzlich zu verankern, gab es seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder. Alle diese Vorstöße scheiterten am Widerstand der Finanzbürokratie; sie fürchtete die aus einem gesetzlichen Denkmalschutz folgenden Entschädigungsverpflichtungen für den Staat. Wie gar nicht anders zu erwarten leisteten auch die großen Immobilien- und Denkmaleigentümer, die Kirchen vor allem, regelmäßig zähen Widerstand: Man fürchtete die Einschränkung der Verfügungsrechte über das Eigentum wie der Teufel das Weihwasser.
Der Wind drehte sich erst in der 1960er-Jahren, als man bemerkte, wie rücksichtlos die Jahre des Wirtschaftswunders und der Utopie von der autogerechten Stadt mit den baulichen Zeugen der Vergangenheit umgingen. Das Erschrecken darüber, dass nach den Verheerungen des Krieges eine schrankenlose wirtschaftliche Dynamik dem baulichen Erbe der Städte und der Kulturlandschaft weitere Wunden zufügte, verlieh denjenigen gesellschaftlichen Kräften Auftrieb, die einen gesetzlichen Schutz der Werte und Güter der Umwelt, auch der gebauten Umwelt, einforderten. Seit den späten 1960er-Jahren zeichnete sich im Zuge der Diskussion um die „Grenzen des Wachstums“ eine zunehmende Sensibilität in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit der Natur und der historischen Bausubstanz ab.
Das Bayerische Denkmalschutzgesetz, Ausdruck dieses Paradigmenwechsels war schon seit einigen Jahren in der politischen Debatte, wurde ab 1970 von Abgeordneten der CSU unter der Führung meines väterlichen Freundes Erich Schosser (1924-2013) mit größtem Nachdruck vorangetrieben und 1973 mit großer Mehrheit verabschiedet. Zu Recht nannte man Schosser den „Vater des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes“. Er hörte es gerne.
Dieses Gesetz war Teil der energischen, von großer Dynamik und großem Gestaltungswillen gekennzeichneten Politik der Kabinette des Ministerpräsidenten Alfons Goppel, Ministerpräsident von 1962 bis 1978. Der Wandel vom Agrar- zum Industriestaat bestimmte das Bild, die große Gebietsreform veränderte die Strukturen der öffentlichen Verwaltung radikal. In diese Zeit fielen auch, der genannten allgemeinen Tendenz von Wertebesinnung und Wertewandel folgend, Richtungsentscheidungen im Natur- und Denkmalschutz, den zwei Seiten der gleichen Medaille.
Das BayDSchG verdankte sein Zustandekommen einer breiten politischen und gesellschaftlichen Koalition, konnte aber gerade deshalb seinen Kompromisscharakter nicht verleugnen; zahlreiche Soll-Bestimmungen zeigten dies. „Lex imperfecta“ hieß der Vorwurf. Erich Schosser meinte dazu in seiner Parlamentsrede vom 7. Juni 1973: „[…] fast alle Gesetze sind unvollkommen, wenn sie mit dem Maßstab des Idealen gemessen werden […] Uns ist dieses unvollkommene Gesetz doch immer noch lieber als gar keins.“ Und der damalige Staatsminister Hans Maier bekannte: „Wir stehen hier vor dem Dilemma, entweder ein in der Papierform optimales Gesetz zu machen, das aber nicht praktikabel ist oder aber ein praktikables Gesetz, von dem ich sehr gern bekenne, dass es nicht optimal ist.“
Dennoch genoss das Gesetz einen hervorragenden Ruf weit über Bayern hinaus. Seine Konzeption und manche seiner Formulierungen wurden nach 1989 Orientierung, auch Vorbild für die neuen Bundesländer. Unbestritten hatte die CSU bei der gesetzlichen und institutionellen Verankerung des Denkmalschutzes in Bayern eine tragende Rolle gespielt.
Ernst zu nehmen war die Tatsache, dass der gesetzliche Denkmalschutz in der Öffentlichkeit nicht auf ungeteilte Begeisterung stieß. Wie fragil sogar der politische Rückhalt in der CSU war, zeigte sich 1977, als vor dem Hintergrund der Schwäche der öffentlichen Finanzen der Abgeordnete und spätere Ministerpräsident Edmund Stoiber sich an die Spitze der Gegner des Denkmalschutzes stellte, die insbesondere dem Lager der Kommunalpolitik entstammten. Die Kritik am BayDSchG und die immer lauter werdenden Rufe nach dessen Beschneidung signalisierten den Konflikt zwischen einer Politikergeneration, die ein auf starke Bürokratie gestütztes und in vielen Feldern sich entfaltendes staatliches Handeln und Gestalten wollte, und jener anderen, die schon damals gerne von Entstaatlichung sprachen. Nicht zufällig war im Jahre 1977 mit „Entstaatlichung“ das Thema des ersten Heftes einer neuen Schriftenreihe der CSU-Landtagsfraktion gefunden. Abgeordnete der neuen Generation wie Edmund Stoiber, Kurt Faltlhauser oder Georg von Waldenfels
Als Ministerpräsident und Parteivorsitzender (1993-2007) führte Edmund Stoiber die CSU zur Zweidrittelmehrheit im Bayerischen Landtag (2003-2008) und damit auf den Höhepunkt ihrer politischen Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Höhepunkt war, in der Rückschau betrachtet, aber zugleich ein Wendepunkt.
Privatisierung, Verwaltungsvereinfachung, Deregulierung und Kommunalisierung standen jetzt im Mittelpunkt des politischen Interesses. Unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege fiel die Bilanz dieser Jahre sehr gemischt aus: Bereits im Jahre 1994 verlor das BayDSchG ganz entscheidend an Kraft, als das Einvernehmen zwischen Unteren Denkmalschutzbehörden und dem BLfD plötzlich nicht mehr nötig war. Die folgenden Jahre brachten die Schließung der Hälfte der BLfD-Dienststellen, spürbare Stelleneinsparungen und schmerzhafte Einbußen bei den operativen Mitteln. In der CSU gab es durchaus Stimmen, die hier einen Irrweg sahen, aber diese Stimmen waren in der Minderheit.
Im Jahr 2006 lag dem Bayerischen Landtag ein Gesetzentwurf der Staatsregierung zur „Erweiterung und Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen“ vor. Praktisch hätte dies eine Ausschaltung des BLfD aus der flächendeckenden Betreuung des archäologischen und baulichen Erbes in Bayern bedeutet. Der Vorstoß traf in der Öffentlichkeit und auch im Landtag auf teilweise erbitterten Widerstand. Auf Initiative des damaligen Vorsitzenden des Landesdenkmalrats, des Landtagsabgeordneten und späteren Staatministers Ludwig Spaenle (CSU), beschloss die CSU-Fraktion am 8. November 2006 mit überwältigender Mehrheit, dem Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht zuzustimmen. Dieser ganz ungewöhnliche Vorgang war auch ein Anzeichen für den schwindenden Rückhalt der Regierung Stoiber in der eigenen Partei.
Die Stoiber-Jahre bescherten dem Denkmalschutz und der Denkmalpflege in Bayern aber auch einen gewaltigen Schritt in die Zukunft: Unmittelbar nach der Jahrtausendwende ergriff die Staatsregierung unter dem Stichwort „e-governement“ die Initiative zur Digitalisierung der Verwaltung. Mit Mitteln aus diesem Programm verwirklichte das BLfD, weltweit führend, das Projekt einer Überprüfung der Denkmalfachdaten (knapp 200.000 Datensätze), ihrer Verschneidung mit den geographischen Basisdaten und die Bereitstellung der tagesaktuellen Denkmalliste im Internet. Staatsminister Thomas Goppel schaltete zum 100-jährigen Bestehen des BLfD im Jahre 2008 in Fürth den „bayernViewer-denkmal“ frei; seit 2014 trägt dieses Portal die Bezeichnung „Bayerischer Denkmalatlas“.
Die Frage nach dem Verhältnis der CSU zu den Anliegen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege ergibt kein eindeutiges Bild. Die Volksparteien befinden sich gegenwärtig in einem Umbruch, manche in einer Krise. Die Herausforderungen des Klimawandels, der Umweltzerstörung, der Pandemien, der Ressourcenknappheit, der Verlust einstiger, sogar in Verfassungen verankerter Gewissheiten, nicht zuletzt die Anzeichen eines Kulturbruchs ordnen das politische und gesellschaftliche Feld, auch die Hierarchie der Werte neu. Wo und wie in diesem neuen Feld der Platz des gebauten Erbes ist, wird sich erst noch zeigen.
Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler vom 25. Juni 1973 (GVBl S.328).
Zitate von Erich Schosser und Hans Maier in: Bayerischer Landtag, Stenographischer Bericht 7/68 vom 7.6.73, S. 3577 und S. 3582.
Egon Johannes Greipl (Hrsg.), 100 Jahre Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 4 Bände, Regensburg 2008.
Ders., Eine Bilanz nach 14 Jahren. Denkmalpflege in Bayern 1999-2013, in: Bayerischen Akademie der Schönen Künste (Hrsg.), Jahrbuch 28/2014, Göttingen 2015, S. 98-110.
Ders., Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, publiziert am 26.2.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bayerisches_Landesamt_für_Denkmalpflege (10.3.2020).
Ders., Denkmalschutz und Denkmalpflege, publiziert am 26.2.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Denkmalschutz_und_Denkmalpflege (10.3.2020).