Ein Wahlkampf ist kein „beauty-contest“ – Politische Werbung von Team `70

Thomas Helmensdorfer

Die „politische Werbung“ ist erstaunlicherweise immer noch ein mehr oder minder ungeliebtes „Stiefkind“ in den Medien. Erstaunlich deshalb, weil sich seit dem Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, also nach 1945, eine Vielzahl politischer Parteien und Gruppierungen gebildet hat, die - jeweils ihrer inhaltlichen Richtung folgend - ständig „politische Werbung“ und Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Soweit „Wahlkämpfe“ stattgefunden haben oder stattfinden, konzentriert sich das Interesse der Medien auf diese besondere Form politischer Aktivitäten, außerhalb der Zeiten eines Wahlkampfes ist die Aufmerksamkeit jedoch geringer, die laufenden „Laut-Äußerungen“ einer Partei zu inspizieren. Sicher liegt dies auch daran, dass in Wahlkämpfen mehr finanzielle und organisatorische Mittel aufgewendet werden, dass Politikerinnen und Politiker um mehr „Aufmerksamkeit“ in den Medien ringen, doch in den folgenden Zeilen soll der Versuch unternommen werden, aus der langjährigen Praxis und Erfahrung heraus, den Blick auf die Entstehung und Verwendung einiger Elemente der „politischen Werbung“ und Öffentlichkeitsarbeit der Christlich-Sozialen Union (CSU) in Bayern zu lenken.1

Klassisch gesehen ist der Begriff "Propaganda" auf das lateinische "propagare" zurückzuführen, d.h. fortpflanzen, aussäen, im Raum ausbreiten, in der Zeit verlängern und erhalten. Erstmals verwendet von Papst Gregor XV. (1621 – 1623), 1622 mit der Gründung der ‚congregatio de propaganda fide’. Dann entstand die "Propaganda" in der Zeit der Französischen Revolution von 1789, als politische Gruppen und ihre internationale Tätigkeit als "la propagande" bezeichnet wurden. Revolutionären Aktivismus dagegen beschrieb im russischen Frühkommunismus eine andere Form der politischen Betätigung, die Agitation. Der international bekannte Wladimir Iljitsch Uljanow, auch weithin als Lenin aufgetreten, verkürzte den Unterschied auf die griffige Formel: Propaganda vermittelt wenigen viele Ideen, Agitation dagegen vielen wenig Ideen. - Soviel zur Begriffsbestimmung.

Wahlkampf ist die Zeit verstärkter Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den politischen Parteien. Jedoch haben sich in den letzten Jahrzehnten einige Voraussetzungen für diesen Informationsprozeß grundlegend geändert. Ein Stichwort dazu ist die Informationslawine, pointierter ausgedrückt, der tägliche Informationsmüll. Eine steigende Ausweitung des Angebots kennzeichnet die Situation. Mehr Rundfunk- und Fernsehprogramme, Video, Internet, neue Zeitungen und Zeitschriften werben um die Aufmerksamkeit der Zuhörer und Zuseher. Doch das tägliche Zeit-Budget des einzelnen für die Aufnahme der Informationen ist, ironisch ausgerückt, weitgehend konstant geblieben: mehr als 24 Stunden haben er oder sie nicht.

Was heißt das für den Wahlkampf?

Wir müssen uns als Agentur auf diese Lage auf der Empfängerseite einstellen. Bei der Planung und Produktion aller Wahlkampfmaßnahmen. Im Sinne von prägnanten, straffen, informativen und dynamischen Wahlkämpfen. Aber wie war das früher, zum Beispiel bei der CSU? In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts fanden bei der CSU in Bayern keine zentral konzipierten Wahlkämpfe nach einem einheitlichen Raster statt. Die Altbayern (Oberbayern, Oberpfalz) beschränkten sich auf die Darstellung ihrer Werbematerialien in weiß-blauen Farben und in unterschiedlichsten Ausführungen, die Franken wählten ihr tradionelles Rot-Weiß aus dem fränkischen Rechen. Die Schwaben folgten zeitweise ihren Farben Rot-Gelb. Eine visuelle Klammer aller Landesverbände gab es noch nicht, die überall im Lande der Öffentlichkeit signalisiert hätte: das ist eine Broschüre, ein Flyer, ein Plakat - eine Aussage der CSU.

Auch die innerparteiliche Organisation ist noch nicht homogenisiert, standardisiert. Dies gelingt Generalsekretär Gerold Tandler der ab Mai 1971 systematisch die Grundlagen dafür schafft, dass sich die CSU von der Präsentation einer „Honoratiorenpartei mit Hosenträgern“ zu einer modernen bayerischen Volkspartei wandelt. Mit der Beauftragung von Team 70 begann 1970 eine fast drei Jahrzehnte lange Zusammenarbeit zwischen der CSU Landesleitung und der Werbeagentur in München-Schwabing, die in der politischen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesrepublik Deutschland bis dato ohne Beispiel war. Und vielleicht sogar noch ohne Beispiel ist.

Der erste Wahlkampf von Team 70 für Josef Deimer in Landshut im Jahr 1969 erregte aufgrund des „Designs“ und der ausgewählten Texte bereits viel Aufmerksamkeit, insbesondere in München bei der örtlichen CSU und auch der CSU-Landesleitung. Mit der Durchführung des OB-Wahlkampfs in München 1970 für den Kandidaten Winfried Zehetmaier folgte die erste Kooperation zwischen Team 70 und der CSU-Landesleitung.

Das Logo Löwe & Raute und die Parteifarben

Für die folgenden fast fünf Jahrzehnte (bis heute) entwickelte sich „Löwe & Raute“ zu dem Markenzeichen der CSU, angeblich zwischenzeitlich das bekannteste Parteilogo in Europa, und immerhin so beliebt, das ein erfolgreiches Magazin so benannt wurde, eine Gaststätte in der Parteizentrale lange diesen Namen trug und der Aufkleber „Löwe & Raute“ seinen Weg zu Sympathisanten der CSU in aller Welt und an allen möglichen Orten fand. Selbst ein milliardenschwerer Konzernlenker wollte in den 80er-Jahren „Löwe & Raute“ auf seinem Privatflugzeug abbilden, es wurde ihm jedoch verweigert. Anlehnungen von Löwe & Raute an das große Bayerische Staatswappen sind natürlich nicht zufällig, eine deutliche Unterscheidung der grafischen Elemente zwischen Staatswappen und Parteilogo bleibt jedoch erkennbar.

Und dazu kommen die Parteifarben „Grün“ und „Blau“, lange vor dem Entstehen einer grünen politischen Bewegung, der CSU als „Hausfarben“ empfohlen. Im Gegenteil. Lange nach der Entscheidung von 1972 für die Einführung dieser Hausfarben bestätigten verschiedene Untersuchungen von wissenschaftlicher Seite die Aussagekraft der Farbkombination für Werte wie Verlässlichkeit, Sympathie, Kompetenz, ruhige Ausstrahlung. Und seitdem tragen die Werbematerialien der CSU diese farbliche Kennzeichnung, teilweise in leichten Adaptionen und Modifikationen für verschiedene Zwecke (Infomaterial, Wahlkämpfe), aber immer mit der Grundaussage „Grün“ und „Blau“. Besonders wichtig: die einheitliche Werbelinie in den einzelnen Parteigliederungen konnte damals nicht „von oben“ erzwungen werden, sondern musste in vielen Veranstaltungen den Bezirks-, Kreis- und Ortsverbänden argumentativ präsentiert werden. Und dies gelang auch deshalb, weil von Anfang an auf die „Bayern-Linie“ gesetzt wurde.

Das „Bayern-Image“ der CSU

Nach dem in den 50er-Jahren beginnenden wirtschaftlichen Umschwung in Bayern, der Entwicklung vom Agrarland zu einem Bundesland mit reger Industrietätigkeit, einem zunehmendem Standort für Wissenschaft und Forschung und dem schnellen Ausbau des Dienstleistungsgewerbes setzte sich dieser Trend in den 60er-Jahren massiv fort. Diesem Umstand folgte die Betonung der CSU als politischer Kraft und Impulsgeber für diese positive Entwicklung. Sinnbildlich steht dafür der neue Slogan „Bayern – liebenswert und lebenswert“ und die Abbildung der Erdfunkstelle Raisting am Ammersee mit ihrer großen Satellitenschüssel und der kleinen Wallfahrtskapelle (St. Johann im Felde) im Hintergrund.

Ebenso beispielhaft verwendete die CSU als erste Partei in der Eigenwerbung den „blauen Himmel“ als typisch bayerisch. Ein Sujet, das in den folgenden Jahren – wie andere Elemente aus CSU-Wahlkämpfen – seinen Weg in die Wirtschaftswerbung fand, denn einen juristischen Kopierschutz gibt es in der politischen Werbung nicht (nur freut man sich natürlich agenturintern über Nachahmungen).

Die Arbeit am „Bayern-Image“ der CSU begann in der Regierungszeit von Ministerpräsident Alfons Goppel (1966-1974). Franz Josef Strauß war zwar seit 1961 Parteivorsitzender, doch Goppel regierte als angesehener und allseits respektierter „Landesvater“. Weil das „bayerische Image“ in der Kommunikation stets betont wurde und sich die CSU von der Wähler- zur Mitgliederpartei wandelte, konnte der Wechsel im Ministerpräsidentenamt von Goppel zu Strauß sozusagen „nahtlos“ auch in der Werbelinie fortgesetzt werden (was auch für spätere Zeiten seine Vorteile hatte).

FJS in der politischen Werbung

Welche Rolle nahm ein Politiker wie Franz Josef Strauß in der politischen Werbung der CSU ein? Einfach zu beantworten: eine herausragende Position. FJS war immer der Spitzenkandidat der CSU in Bayern. Und einmal auch der CDU – bei der Bundestagswahl 1980. Doch nicht nur das. Als Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union in Bayern hatte er das maßgebliche Wort mitzureden: bei der visuellen wie bei der inhaltlichen Gestaltung von Wahlkämpfen. Wollte er das? Der Politiker, der mit vielen seiner Aussagen und Haltungen polarisierte wie kein zweiter Repräsentant, der verehrt, vielleicht geliebt, sicher auch gehasst wurde, legte er Wert darauf, „anzukommen“? Dazu ein klares „Nein“. Strauß stand der politischen Werbung für seine Person, diplomatisch ausgedrückt, sehr unbeteiligt gegenüber. Für ihn zählten die politischen Inhalte, nicht die Verpackung. Was die Arbeit auf diesem Gebiet für die verantwortlichen Personen nicht unbedingt erleichterte. Dazu ein Beispiel für die Entstehung von Bildmotiven.

Das Porträt

Ohne jeden Zweifel, das „Porträt“ von Franz Josef Strauß gehört zu den meistverbreiteten Motiven von ihm. Er wirkt authentisch, sympathisch und kompetent – die Wahlkampfkommission der CSU entschied sich aus eben diesen Gründen für die Verwendung des Bildes im Wahlkampf und im offiziellen Presseverteiler. Es war später eines von etwa 20.000 Bildmotiven von FJS, auf die Team `70  Zugriff hatte. Doch in jedem Wahlkampf ging es darum, neue und aktuelle Motive von ihm zu finden. Beliebt in Wahlkämpfen ist immer das Sujet: Der Kandidat und die Bürger. So entstanden Aufnahmen wie FJS mit Arbeitern, mit jungen Leuten, mit Seniorinnen und Senioren, mit Bürgerinnen und Bürgern. Es soll die Nähe zu den Menschen symbolisieren, den vertrauten Umgang des Politikers mit ihren Sorgen und Nöten, die regionale Verbindung. „Es soll“ heißt es. Weil die Schaffung eines „Vertrauens“ in die politischen Inhalte und Repräsentanten einer Partei zu den ersten Bausteinen einer (letztlich) erfolgreichen Agenturarbeit gehört.

An dieser Stelle können nicht alle Einzelheiten zu diesem Aufgabenkatalog genannt werden, doch verraten sei soviel: Wenn die Persönlichkeit eines Spitzenkandidaten (oder einer Spitzenkandidatin, soviel „political correctness“ soll schon sein) nicht mit dem Slogan, der Abbildung des Kandidaten und der aktuellen politischen Lage vor dem Wahltermin zusammenpasst – dann haben die Wähler ein feines Gespür dafür, dass da „etwas nicht stimmt“, und entsprechend mies wird das Wahlergebnis ausfallen.

Bildmotive und Bildbearbeitung

Ein Aspekt muss betont werden: es gehörte zu den Grundsätzen von Team `70 , nicht immer mit professionellen „Models“ für die Fotos zu arbeiten. Meist waren es empfohlene „Amateure“ aus dem erweiterten Bekanntenkreis, die sich für wenig Geld und viele gute Worte dazu überreden ließen, sich für ein Sympathieplakat abbilden zu lassen.

Zur „Macht der Bilder“ gehört auch ein Wort zur „Postproduktion“, also der Nachbearbeitung der Bildmotive. In der analogen Fotografie der 70er- und 80er-Jahre mussten die belichteten Filme ins Labor geschickt werden, sie kamen zurück, es wurden Bildausschnitte und Vergrößerungen festgelegt, zurück ins Labor und dann begann, vereinfacht ausgedrückt, die Grafik mit der Seitengestaltung. In den 70er-Jahren herrschte in der Grafik noch der Klebeumbruch vor. Bilder und Texte wurden auf Papier „geklebt“ und dienten als Basis für „Reinzeichnungen“ bzw. Druckvorlagen. Korrekturen erfolgten durch Überkleben. Soweit Bilder ausgebessert werden mussten, oder beispielsweise ein Porträt sich besser vom Hintergrund abheben sollte, so wurde es händisch „retuschiert“. Computer zogen übrigens erst ab 1980 in die Agenturarbeit ein, vorerst und überwiegend im Textbereich.

Zur Entstehungsgeschichte des „Porträts“

Team `70 schlug 1979 für eine neues Porträt von Strauß als Aufnahmeort das „Prinz-Carl-Palais in München vor. Ein frühklassizistisches Gebäude, gelegen zwischen Hofgarten und Englischem Garten, 1804 erbaut, das neben Repräsentationszwecken den offiziellen Amtssitz des Bayerischen Ministerpräsidenten darstellt (und nicht die benachbarte 1993 neuerbaute Staatskanzlei) – eine Tatsache, die nicht allen Bayern bekannt ist. Kurzum, wir wählten das sogenannte „Ministerpräsidentenzimmer“ als Aufnahmeort aus. Es sollte den geeigneten Rahmen für den Fototermin mit FJS bieten. Terminabstimmung mit der Staatskanzlei, mit der Bitte um einen „ruhigeren“ Tag für einen etwas „entspannten“ Politiker, und es folgte einige Wochen später der Aufnahmetermin. Wie in der Branche üblich konnten wir einige Stunden vor dem „shooting“ unsere Geräte (Fotoapparat, Blitzanlage, Aufheller, usw.) in den Raum bringen und aufbauen. Soweit war alles fertig und vorbereitet, als die Idee auftauchte: FJS nur am Schreibtisch sitzend, das wirkt hölzern. Wir wollten eine „quasi“-Arbeitssituation simulieren, das heißt FJS unterbricht am Schreibtisch sitzend seine Arbeit und blickt freundlich in die Kamera. Um diese Situation herstellen zu können, benötigten wir mehr und bessere Vorlagen. Aber was? Man kann dem Ministerpräsidenten nicht einfach leere Blätter vorlegen. Erstens widerspräche dies der Arbeitsatmosphäre und zweitens wäre es nicht gut für seine Konzentration auf die Aufnahmesituation. „Aber ‚hallo‘: wir sind doch im Amtssitz des MP. Da wird sich doch in den umliegenden Amtsräumen eine Vorlage finden. Dr. Wilhelm Knittel, Leiter des Büros des Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei, ist so freundlich und geht auf die Suche. Nach kurzer Zeit kehrt er zurück, mit einem Stapel von Akten, gefunden in der Eingabestelle.

Team`70 arrangiert die Vorlagen auf dem Schreibtisch zu einer „Arbeitsatmosphäre“. FJS kommt, er wird kurz von der „Maske“ mit Schminke, Kamm und Föhn „bearbeitet“, dann beginnt das ‚shooting‘. Auf die Bitte der Fotografen hin blickt FJS von der Unterlage immer wieder lächelnd in die Kamera, im Gegensatz zu Film- oder Fernsehaufnahmen eine leichtere Übung. Was niemand bedacht hat: während der Aufnahmen beginnt FJS in der Unterschriftenmappe tatsächlich zu lesen, zu blättern und die abgelegten Vorgänge zu studieren. Und er findet einige Dokumente die an der Seite seine Anmerkungen mit grüner Tinte tragen und auf ‚WV‘ (Wiedervorlage) liegen, jedoch offensichtlich einer erheblichen wochenlangen Zeitüberschreitung zum Opfer gefallen sind. FJS ‚grantelt’ gegenüber Dr. Knittel, warum der Vorgang nicht schneller bearbeitet und ihm wieder vorgelegt wurde und so endet dieser Aufnahmetermin in keiner besonders harmonischen Atmosphäre.“

Zur Freude der Agentur jedoch erwies sich das ausgewählte Motiv (unter den vielen Hundert Motiven, die bei dieser Aufnahme entstanden) als besonders beliebt und damit erfolgreich eingesetzt und verbreitet.

Die CSU und Team `70

Weil Franz Josef Strauß der politischen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit kein besonderes Interesse entgegenbrachte, hatte Team `70 sozusagen „freie Hand“ – in enger Abstimmung mit dem Generalsekretär, dem Landesgeschäftsführer und der Wahlkampfkommission – die Werbematerialien und die Wahlkämpfe zu gestalten. Was viele Jahrzehnte später bei der SPD im Bundestagswahlkampf 1998 von Gerhard Schröder als „Kampa“ gefeiert wurde, die enge Zusammenarbeit zwischen Agentur und Partei, fand bei der CSU schon seit 1972 bis 1996 statt.

Was ist eigentlich ein Wahlkampf? Beispiel: Auf die Frage der Fernsehreporterin, was er denn zum siegreichen Ausgang seiner Partei bei der Wahl zu sagen hätte, antwortet ein beliebiger Spitzenkandidat ins vorgehaltene Mikrophon: „Lassen Sie mich zuerst den Wählerinnen und Wählern danken, die uns heute gewählt haben, und insbesondere gilt mein Dankeschön den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die in den letzten Wochen und Monaten mit ihrem Arbeitseinsatz dafür gesorgt haben, dass unser Wahlkampf so intensiv, dynamisch und so nah am Bürger verlaufen konnte.“ Ein obligatorischer Satz. Man könnte meinen, eine Floskel. Doch weit gefehlt. Dieser Satz offenbart, wie vielfältig, wie vernetzt und komplex ein Wahlkampf verläuft. Ein vielfältiges Räderwerk an Organisation und Einsatz von Arbeitskräften und Material greift ineinander. Egal, ob es sich um den politischen Wettstreit in einer kleineren Gemeinde, um einen Landtags- oder Bundestagswahlkampf handelt. Was die Organisation „hinter den Kulissen“ plant, organisiert und umsetzt, wird für die Öffentlichkeit in Aktionen sichtbar: Veranstaltungen, Plakate, Broschüren, Flyer, Spots in Hörfunk und Fernsehen, Aktivitäten im Internet und den sozialen Netzwerken, um nur einige Beispiele zu nennen.

Doch Wahlkämpfe sind bekanntlich nur ein kleiner aber wichtiger Teil des politischen Lebens. Zwischen den Wahlterminen liegt der politische Alltag. Und der heißt bei einer Partei: nach innen wie nach außen kommunizieren, auf die politischen Ereignisse entsprechend reagieren oder mit eigenen Maßnahmen Impulse setzen. Politische Aktivitäten in der Öffentlichkeitsarbeit oder in der politischen Werbung stehen immer in einem Zusammenhang mit originären „Befindlichkeiten“ der Partei. Insbesondere Wahlkämpfe müssen im Zusammenhang mit den jeweiligen Zeitereignissen gesehen werden.

Und hier ist eine Besonderheit in der Verbindung zwischen CSU und Team `70 zu betonen: in allen Jahren der Zusammenarbeit gab es kontinuierliche Verträge mit dem klaren Ziel, dass der CSU jahrein und jahraus ein kreatives Team zur Verfügung steht – auch außerhalb der Wahlkampfzeiten für die Gestaltung von Schaukastenplakaten oder die Durchführung von Großveranstaltungen – und die andererseits der Agentur die ökonomische Sicherheit in der Kundenbeziehung bietet. Entsteht da ein Gemurmel über „Freunderlwirtschaft“ zwischen der CSU und Team `70? Der kritische Leser sei getröstet. Wer mit sieben Generalsekretären, vier Ministerpräsidenten und drei Parteivorsitzenden der CSU zusammenarbeiten konnte, der steht immer auf einem kritischen Prüfstand – auch in einer Partei gibt es „Besserwisser“. Und erstens gab es fallweise Konkurrenz-Präsentationen („um unsere Agentur am Laufen zu halten“, damaliger Originalton eines CSU-Politikers) und zweitens, zurückhaltend formuliert, war die Arbeit von Team `70 nicht ganz erfolglos (auch in der Anerkennung von Gegnern).

Politische Werbung ist anders

Was unterscheidet die politische Werbung in einigen Grundsätzen von der Produkt- oder Wirtschaftswerbung, welche Gemeinsamkeiten gibt es? Die Parteien in einem demokratischen System sind pluralistisch strukturiert und somit transparent. Alle wesentlichen Vorgänge, wie Programmdiskussion, Wahl der Führungspositionen, Erstellen thematischer Schwerpunkte, usw. spielen sich mehr oder weniger öffentlich ab. Schon darin ist ein gewichtiger Unterschied zur Wirtschaftswerbung zu sehen. Kein Unternehmen diskutiert in der Öffentlichkeit, ob es das Produkt A oder B einführen soll. Erst wenn ein Produkt bei Unternehmen seine intern entschiedene positive "Marktreife" erlangt hat, starten prinzipiell die Kampagnen für den Verkauf. Lassen wir die Testphasen zur Erprobung der Verkaufschancen einmal beiseite. Noch etwas erweist sich in diesem Zusammenhang als gewichtiger Unterschied zwischen der kommerziellen und der politischen Werbung: in manchen Branchen werden aus zehn Neuerscheinungen acht oder neun Flops – undenkbar in der Politik, dass solange gewählt wird, bis ein endgültige Ergebnis feststeht. Im politischen Bereich dagegen ist die Öffentlichkeit nie ausgeschlossen, ganz im Gegenteil, sie bildet sozusagen den Nährboden in dem die Pflanze „politische Werbung“ erst gedeihen kann.

Wobei ‚öffentlich’ im dreifachen Sinne verstanden sein will.

Einmal die Partei-Öffentlichkeit im Sinne von Mitgliederversammlungen, Arbeitskreisen, Parteitagen und weiteren satzungsmäßigen Versammlungen.

Dann die von Parteimitgliedern oder Unterorganisationen in der Öffentlichkeit geübte Kritik oder Zustimmung zu politischen Vorhaben, Beschlüssen und Aktionen.

Und drittens: Über kein Ereignis wird von den Journalisten so intensiv berichtet, wie über die Vorgänge in der Politik. Oder von und über Politiker.

Während die Wirtschaftswerbung nur einseitig durch die Unternehmen erfolgt, sind es bei der Politik ganz wesentlich die Medien, die ein Bild über die Parteien und die Politiker vermitteln. Und in denen sich die Parteien nur bedingt immer so wiederfinden, wie sie es selbst gerne möchten. Deshalb begann die CSU seit 1972 damit, für jeden Wahlkampf parteiinterne „Anleitungen“ herauszugeben. Erläuterungen und Beispiele zum Raster mit Farben, Schriften und Signet folgten Empfehlungen und Vorschlägen für Kandidatenplakate, Veranstaltungsplakate, Visitenkarten, Beispiele für Sloganplakate, Sympathieplakate und Wahlkampf-Accessoires. Zentral gesteuert wurden Großflächenplakate, Allgemeiner Anschlag, TV- und Hörfunkspots, der Prospekt für FJS als Spitzenkandidat in Landtags- und Bundestagswahlen.

Während in der Konsumwerbung vergleichender Wettbewerb seit einigen Jahren nur unter engen rechtlichen Voraussetzungen erlaubt ist, bildet er in der Demokratie geradezu die Voraussetzung politischer Konkurrenz. Jede Äußerung in der Öffentlichkeit und jede politische Handlung ist daher angreifbar und kann Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Bis hin zu juristischen Klärungen. Auch deshalb ist es bei der CSU eine gute Tradition, dass der Generalsekretär ein Mandat inne hat und politische Immunität genießt – so kann er bei rechtlichen Auseinandersetzungen nicht persönlich belangt werden.

Der Wahltag

Während die Wirtschaftswerbung bei der Kampagne für ein Produkt mit relativ zuverlässigen Methoden einen Zeitraum für den ökonomischen Erfolg oder Misserfolg festlegen kann, muss die politische Werbung auf ein unverrückbar gegebenes Datum hinzielen: den Wahltag. Nur an diesem Tag zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr am Abend entscheidet der Wähler. In der demokratischen Einsamkeit seiner Wahlkabine. Seine Überzeugung führt den Stift – und im Handumdrehen sind die Wahlkreuze gemacht.

Viele Wählerinnen und Wähler vergessen schlicht den Tag der Wahl, deshalb wird verstärkt in den Werbematerialien und -maßnahmen der letzten Wochen und Tage vor dem Wahltermin noch einmal der Wahltag deutlich angeführt. Und meist noch mit der Bezeichnung des Wahltags, weil sich beispielsweise „Sonntag, der 12. März“ leichter merken lässt als nur „12.3.“.

Oder denken wir an das Wetter. Wie oft beeinflusst die jeweilige Wettersituation das Wahlverhalten? Allein: wer mag schon an einem schönen Hochsommertag zum Wählen gehen? Da bietet sich eher der Weg in das nächste Schwimmbad an. Oder bei heftigen Minustemperaturen und Schneegestöber? Bayern wählt traditionell am Ende der großen Sommerferien. Also etwa um den 10. September herum. Und immer vor den Bundestagswahlen.

Noch ein Charakteristikum der politischen Werbung ist die Behandlung des Themas „Briefwahl“. Briefwähler sind für gezielte Werbemaßnahmen weitgehend unbekannte Wesen. Niemand kann vorhersagen, welche Wähler oder Wählerinnen sich für die Stimmabgabe per Briefwahl entscheiden werden. Und vor allem: wann und wo werden die Kreuze auf dem Stimmzettel angebracht? Am Wahltag, einige Tage vorher, mehrere Wochen vorher, in der Pause am Arbeitsplatz, in der Freizeit, nach einer politischen Fernsehsendung? Deshalb enthalten viele Werbemittel wie Plakate, Kandidatenprospekte oder Briefe (direct mailing) nur Hinweise auf die Möglichkeit zur Nutzung der Briefwahl. Interessant ist, dass rund die Hälfte aller Wahlberechtigten ihren Stimmzettel zuhause ausfüllen, die Wahlunterlagen aber persönlich im Wahllokal in die Wahlurne werfen, etwa die andere Hälfte der Briefwähler bevorzugt den portofreien Versand. Seit den 90er-Jahren nimmt der Anteil der Briefwähler unter allen Wahlberechtigten kontinuierlich zu. Bei der letzten Landtagswahl in Bayern 2013 wählten 36,8 % der Wahlberechtigten per Briefwahl, in den bayerischen Städten gab es neue Rekorde bei der Wahl in Briefform.

Der Wahltag beeinflusst den Produktionsdruck für alle Werbemaßnahmen in der politischen Werbung ganz erheblich. Dazu ein Beispiel aus dem Bereich TV-Spots im Bundestagswahlkampf 1987: „Strauß hat sich ausdrücklich vorbehalten, aus Gründen der aktuellen politischen Lage, sein Statement in den Fernsehspots möglichst kurz vor Sendebeginn abzugeben. Das heißt für das Team: eine Nachbearbeitung des Statements von FJS ist zeitlich unmöglich.

Team `70 konzipiert mehrere TV-Spots. Die maximale Länge von 150 Sekunden je Spot ist für alle Parteien verbindlich vorgeschrieben. Die Konzeption der CSU-Spots sieht zwei Teile vor: In einem ersten Abschnitt in 105 Sekunden die Leistungen der CSU für den Freistaat verdeutlichen wie Stärkung der Wirtschaft, Sicherung stabiler Finanzen, Förderung der sozialen Unterstützung, Erhaltung der bayerischen Kultur, usw. Ein Kaleidoskop von Szenen, untermalt mit Musik und Kommentarton. Es bleiben für den zweiten Abschnitt 45 Sekunden je Spot für das Statement des Parteivorsitzenden.

Einen Tag vor Sendebeginn erhält das Produktionsteam einen Aufnahmetermin mit FJS für den ersten Spot. Acht Uhr morgens. Drehort: München, Prinzregentenstraße, Staatskanzlei, Büro des Ministerpräsidenten. Zwei Kameras werden aufgebaut, Licht und Ton eingerichtet, die Requisite kümmert sich um das passende Ambiente auf dem Schreibtisch und im Bildhintergrund. FJS soll um 11 Uhr kommen, genügend Zeit für das Produktionsteam alle Vorbereitungen zu treffen. Der Text für den Spot wurde bereits einige Tage vorher im Strauß-Büro als Entwurf eingereicht.

FJS kommt. Begrüßt das Team sehr freundlich und entspannt und wird an einen Tisch gebeten, wo die Maske ihre Gerätschaften hergerichtet hat: Dosen und Tiegel mit Schminke und Puder, Kämmen und Föhn. Durch das grelle Ausleuchten von Fernsehbildern würde jeder Protagonist dem Zuschauer ‚leichenblass‘ auf dem Bildschirm erscheinen, deshalb ist ‚die Maske‘ eine unerlässliche Prozedur bei Aufnahmen. Für FJS ein Gräuel. FJS setzt sich, liest den Text für den Spot nochmals durch, bessert die eine oder andere Stelle aus und lässt sich dabei fernsehgerecht schminken. Nach einigen Minuten ist alles fertig, FJS nimmt hinter dem Schreibtisch Platz und es kommt zum ersten Probelauf. FJS sieht in die Kamera, spricht, blickt aufs Blatt mit dem Text, wieder in die Kamera, perfekt. Doch die Regie hat ein Problem. Die Zeit wurde mitgestoppt und sein Statement ist 55 Sekunden lang. Zehn Sekunden zu viel für den Spot. Bitte des Regisseurs an FJS: etwas forcierter sprechen. Zweiter Durchgang. Wieder 55 Sekunden. FJS bittet um eine Pause, kürzt den Text. Wiederholung: 50 Sekunden. Der Regisseur entscheidet sich für eine erste Aufnahme. Die Länge: 48 Sekunden. Bitte um neuen Durchgang an FJS. Zweiter Durchgang mit einem Tonproblem. FJS wird unruhig. Dritter Durchgang. 35 Sekunden. Das Team spürt, wie FJS grantig wird. Neuer Durchgang. 40 Sekunden. Der Regisseur ist verzweifelt. Vorsichtige Frage an FJS: Können wir nochmals aufnehmen? Sekundenlange Stille. FJS blickt vom Manuskript auf. Originalton: ‚Ihr mit Eurem Scheiß-Fernsehen‘. Betretenes Schweigen des Drehteams. Es fehlt der rettende Einfall um eine entspannte Arbeits-Atmosphäre für den Spitzenkandidaten herzustellen. Kurze Drehpause. Neuer Durchgang. FJS wieder entspannt. ‚Kamera läuft, Ton läuft‘, FJS zum Fünften. FJS blickt zum Regisseur. Der: ‚Phantastisch, es waren genau 45 Sekunden und völlig überzeugend.‘ Das war der rettende Einfall. FJS dankt dem Team für die Arbeit und geht aus dem Raum. Spot im Kasten, ab in die Nachbearbeitung in das Studio. Es waren tatsächlich nur 40 Sekunden. Argument des Regisseurs: ‚Lieber ein zu kurzes Statement, als zu lang. Eine weitere Bearbeitung oder ein neuer Drehtermin wären unmöglich gewesen.‘“

Der "Mensch" steht im Mittelpunkt

Es gibt kein Produkt in der politischen Werbung, weil sich Menschen als Kandidaten bewerben. Deshalb kann man die politische Werbung auch nicht für die Verpackung verantwortlich machen. Sozusagen für das "Kandidaten-Design". Und: Wahlkämpfe sind kein „beauty-contest“. In der kommerziellen Produktwerbung trägt die Verpackung entscheidend zum Griff des Verbrauchers nach eben diesem bestimmten Erzeugnis im Regal bei. Ob ein Politiker den Scheitel links oder rechts trägt, mit Goldrandbrille oder Kontaktlinsen auftritt, großes oder kleineres Anzugkaro bevorzugt, ist nicht Sache des "stylings" durch eine beratende Agentur oder den „spin doctor“- sondern eine Frage des persönlichen Geschmacks. Und da gibt es nach aller Erfahrung keine entscheidenderen Ratgeber für Kandidaten als die Ehefrauen, manches Mal auch die Damen im Vorzimmer der Amtsstuben. An dieser Stelle sei auf den Auftritt von Franz Josef Strauß im März 1980 im Deutschen Bundestag verwiesen. Bei der Bundestagsdebatte über die Lage der Nation trat er in einem kornblumenblauen Anzug an das Rednerpult, der nicht nur zu einem Aufschrei an vielen bundesdeutschen Stammtischen führte, sondern auch eine interne Suche nach den Verantwortlichen für diesen „dress-code“ auslöste. Die Suche blieb ergebnislos.

In keinem bekannten Fall wirken sich derartige "Verpackungsfragen" wahl-entscheidend aus. Auch wenn das immer wieder falsch wiederholt wird. Deshalb muss es nicht richtiger werden. Richtig ist, dass kleine Korrekturen am Aussehen die Anmutung eines Kandidaten in der Öffentlichkeit positiv beeinflussen können, solange sie mit der Persönlichkeit der Politikerin oder des Politikers vereinbar sind.

"Zielgruppe"

Spricht man über die politische Werbung aus der Sicht des Wahlkampfes, rückt die sogenannte "Zielgruppe" in den Blickwinkel. Jeder Werber denkt in Zielgruppen, ja muss die Strategie nach Zielgruppen aufbauen. Denn was nützt die schönste Konzeption für eine Kampagne der 18- bis 25jährigen, wenn feststeht, dass die Inhalte eigentlich nur die über 5ojährigen interessieren? Nebenbei bemerkt: die Zielgruppe „junge Wähler“ oder auch „Erstwähler“ war für eine Volkspartei wie die CSU besonders „schwer“ zu erreichen, weil es in den früheren Jahrzehnten nur wenige „jugend-affine“ Medien gab. Das hat sich mit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke ganz wesentlich geändert. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass Strauß auch bei den jugendlichen Wählerinnen und Wählern sehr respektable Wahlergebnisse erzielen konnte.

In diesem Zusammenhang ein Wort zur „Stoppt Strauß“-Aktion: sicher unterlag es dem damaligen Zeitgeist Ende der 70er-Jahre, wenn sich überwiegend Jugendliche und junge Aktivisten gegen das politische Establishment engagierten und Strauß nicht als Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers akzeptierten, doch bis heute ist noch nicht untersucht worden, inwieweit die Aktionen finanziell und/oder organisatorisch vom damaligen Regime der „DDR“ initiiert und gefördert wurden.

An dieser Stelle sei wieder auf die jeweils aktuelle politische Lage und ihren Einfluss auf Wahlkampagnen hingewiesen. Hält sich ein politisches Thema über Wochen und Monate (Asylpolitik, Staatsschulden, Sicherheit der Renten), dann wird es Eingang in die thematische Konzeption eines Wahlkampfs finden. Eventuell läuft es auch nur „am Rande“ mit. Es kommt eben auf die jeweilige Situation an.

Im Sinne der kommerziellen Werbung ist es eine folgerichtig aufgebaute Prozedur, ein Produkt zu bewerben: Der Markt wird analysiert, das Produkt entwickelt, die Kampagne allen erforderlichen Vor- und Nachtests unterworfen – und schlussendlich ergibt sich ein Riesenerfolg und ein fröhlicher Umtrunk. Oder es kommt zum Riesenflop. Dann gibt’s Sprudel statt Schampus. Wahlniederlagen sind nicht unbedingt Flops von Kampagnen. Wie umgekehrt Wahlsiege nicht zwangsläufig auf überzeugenden Kampagnen-Ideen beruhen müssen. Die Geschichte der politischen Werbung kennt zu beiden Aspekten viele Beispiele.

In der Bundesrepublik Deutschland entsteht Ende der 60er-Jahre ein Trend in den Wahlkampfplanungen der politischen Parteien: sie wenden sich von überzogenen Zielgruppenkonzepten zunehmend ab. Während die 70er-Jahre von einer Professionalisierung des Wahlkampfs geprägt waren, stellten die 80er-Jahre den Höhepunkt des Zielgruppenwahlkampfs dar. Kurz vor der Bundestagswahl 1976 stellte die Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann ein „doppeltes Meinungsklima“ fest. In der Wählergunst lag die Union Kopf-an-Kopf mit der SPD-FDP-Regierungskoalition, obwohl noch wenige Monate zuvor die Union als sicherer Sieger gesehen wurde. In den 80er-Jahren entstanden Untersuchungen zur Agenda-Setting-Hypothese und, besonders durch Noelle-Neumann begründet, die Schweigespirale.

Für die CSU gilt: Das Ziel einer absoluten Mehrheit schließt einen klassisch-reinen Zielgruppenwahlkampf aus. Sie muss, um 45 bis 55 Prozent der Stimmen zu erhalten, ein Wählerpotential von über 70 Prozent ansprechen. Einfacher ausgedrückt: ein Drittel der bayerischen Bevölkerung wählt grundsätzlich CSU, ein weiteres Drittel kann mit Argumenten für die CSU überzeugt werden und das letzte Drittel sind Wechselwähler und/oder Sympathisanten („Dann wähle ich eben diesmal CSU“). Also: Kampf um jede Stimme.

Die Macht der Bilder

„Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf“, heißt es in vielen Kommentaren von Journalisten. In der Tat ist es eine Eigenart der Politik, schon kurz nach einem Wahlsieg oder einer Wahlniederlage wieder „auf der Bühne“ zu stehen, um die Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern zu bestehen. Zweifellos gehörte und gehört dazu, in allen Zeiten „die Macht der Bilder“ ins Kalkül zu ziehen.

Als Beispiel für die Vermischung von Information und Kommentar (also ein Beispiel für „Agitation“ oder „Propaganda“?) sei der filmische Nachruf von Rudolf Augstein und Stefan Aust zitiert. Da hieß es nach dem Tod von Franz Josef Strauß (3. Oktober 1988) in der Sendung von Spiegel TV, gesendet am 9. Oktober 1988: „Nicht was er sagte und tat, sondern was er war, das macht seine Faszination aus. Sicherlich der bedeutendste Politiker Bayerns seit 1918. Aber er wollte es als ein barocker Mensch immer noch eine Nummer größer. Was Strauß sich alles leisten konnte, war nur ihm, dem Altbayern und sogar ihm auch nur in Bayern möglich. In diesem katholischen bäuerlichen Land, am Rande der Alpen, diesem einzig traditionell gewachsenen föderativen Staatsgebiet. Hier musste er mit seinen vielseitigen Begabungen der Größte werden. Es gab keinen anderen wie ihn.“

Klingt zunächst nicht schlecht, auch wenn die Aschaffenburger und Hofer, rund 400 Kilometer von den Alpen entfernt, die rund 2,5 Millionen Protestanten und die Millionen Arbeitnehmer in Dienstleistung, Handel, Industrie und Tourismus hiermit als Nicht-Bayern bezeichnet wurden. Doch in der Verbindung mit den Filmbildern zu der obigen Textpassage erhält der Inhalt eine völlig andere Gewichtung und Wirkung beim Zuschauer. Denn es wurden ausschließlich die Fernsehbilder vom „Politischen Aschermittwoch“ der CSU in Passau mit dem Einzug von Franz Josef Strauß verwendet. Die Zielrichtung war klar: FJS der Provinzpolitiker.

Ein politischer Nachruf muss in seiner Darstellung nicht in allen Einzelheiten der gelebten Wirklichkeit entsprechen, das lehrt das Leben, aber er sollte doch den Grundsätzen von Würde und Respekt vor den Leistungen eines Spitzenpolitikers der Bundesrepublik Deutschland entsprechen.

Ein Fazit

„Politische Werbung“? Im Prinzip findet sie tagtäglich und fortwährend statt. Das „Leben“ in einem demokratischen Rechtsstaat ist sicher nicht einfach. Eine dauernde Auseinandersetzung mit Herausforderungen, eine kontinuierliche Suche nach Antworten und Kompromissen. Die Vielzahl der modernen Medien und die Vielfalt der Kommunikationskanäle zwischen Politik und Bürgern erfordern von beiden Seiten das Interesse an Inhalten, die Bereitschaft zu Diskussionen und den demokratischen Umgang mit Andersdenkenden. Schlechte Beispiele in diesem Geschäft sollten kein Antrieb sein, sondern der umgekehrte Weg ist richtig: demokratische Impulse fördern, die Vertrauen und Glaubwürdigkeit stärken. Dann ist auch die politische Werbung auf einem guten Weg. Und die Wissenschaft erhält ausreichend Grundlagen, um ihre Forschungsergebnisse und Interpretationen zur „politischen Werbung“ vorzulegen.

 

1Der Beitrag wurde 2015 veröffentlich in "Franz Josef Strauß - Die Macht der Bilder" im Allitera Verlag.