Kulturkampf abgewendet – Von der Bekenntnisschule zur christlichen Gemeinschaftsschule

Paula Bodensteiner

Mit dem Volksentscheid vom 7. Juli 1968 endete in Bayern ein jahrelanger Streit um die Konfessionsschule und die Reform des Schulartikels in der Bayerischen Verfassung. In den langwierigen Verhandlungen mit den Landesvorsitzenden der SPD und FDP wie mit der katholischen Kirche hatte Franz Josef Strauß konsequent die interkonfessionelle Ausrichtung der Schulen, nicht zuletzt auch innerhalb der CSU, durchgesetzt. Die Abschaffung der Konfessionsschule bedeutete eine Neuregelung der Stellung der christlichen Gemeinschaftsschule, die im Volksentscheid mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Konfessionelle Prägung des Schulwesens

Jahrhundertelang waren Bekenntnisschulen, in denen die Kinder nach den Grundsätzen eines bestimmten Bekenntnisses unterrichtet wurden, selbstverständlich. Der Schulalltag war kirchlich geprägt, die Grundsätze der Bekenntnisschulen bezogen sich auf den Unterricht wie auf die Lehrpläne und die Lehrkräfte, die der entsprechenden Konfession angehören mussten. Mit der Forderung nach Trennung von Kirche und Staat setzte zunehmend Kritik an den Bekenntnisschulen ein. Schon unter Graf Montgelas versuchte man auch in Bayern, das Bildungswesen überkonfessionell zu gestalten. Die Bekenntnisschule blieb aber, zumindest im Volksschulbereich, die Regel. Das änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten grundlegend. Der Kampf gegen die Bekenntnisschulen wurde, trotz des Abschlusses des Reichskonkordats mit dem Heiligen Stuhl im Jahr 1933, massiv und mit hoher Propaganda mit dem Ziel geführt, Schulen, Lehrer und Schüler für die nationalistische Bewegung zu vereinnahmen und den Einfluss der Kirchen auf die Schulen zu unterbinden. Im Oktober 1938 wurde die vollständige Umwandlung der Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen in Bayern bekannt gemacht

Wiederherstellung der Bekenntnisschule

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam das Schulwesen unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen langsam wieder in Gang. Schulen und Bildungseinrichtungen standen im Fokus der amerikanischen Militärregierung, auf deren Direktive (JCS 1067 vom April 1945) hin alle Schulen ihren Betrieb einstellen mussten. Allerdings wurde dieses Verbot im Verlauf des Jahres 1945 mehr und mehr gelockert. Neben den alltäglichen Erschwernissen – viele Schulgebäude in den Städten waren zerstört, die Sachmittel bis hin zum Heizungsmaterial knapp, zudem waren die Schülerzahlen durch den Flüchtlingszuzug deutlich angestiegen – war die Anzahl der Lehrer drastisch zurückgegangen. So wurden allein im Volksschulbereich wegen ihrer Mitgliedschaft bei der NSDAP über 55% der Lehrer entlassen.

Der erste, von der amerikanischen Besatzungsmacht eingesetzte bayerische Kultusminister Otto Hipp (CSU) stellte mit Erlass vom 23. Juli 1945 die Bekenntnisschule wieder her. Dieser Erlass, auch wenn er für kurze Zeit unter Wilhelm Hoegner (SPD) wieder rückgängig gemacht wurde, war entscheidend für die Entwicklung des Schulwesens in Bayern für die nächsten beiden Jahrzehnte. Sie stand in völliger Übereinstimmung mit der Haltung der CSU, die unter starker Rückbesinnung auf christliche Werte ein klares Bekenntnis zur Konfessionsschule ablegte und auf deren Betreiben die Bekenntnisschule als Regelschule in Art. 135 der Bayerischen Verfassung 1946 festgeschrieben wurde: „Die öffentlichen Volksschulen sind Bekenntnis- oder Gemeinschaftsschulen. Die Wahl der Schulart steht den Erziehungsberechtigten frei. Gemeinschaftsschulen sind jedoch nur an Orten mit bekenntnismäßig gemischter Bevölkerung auf Antrag der Erziehungsberechtigen zu errichten.“ An dieser Verfassungsbestimmung und am langjährigen Widerstand von Kultusminister Alois Hundhammer (1946-1950) scheiterte die amerikanische Besatzungsmacht letztendlich mit ihrem Ziel, die Gemeinschaftsschule in Bayern durchzusetzen. Bayern war mit der Wiedereinführung der Bekenntnisschule nicht allein, in den drei westlichen Besatzungszonen wurden die Schulformen der Zeit vor 1933 wieder eingeführt.

Schulpolitische Reformdebatten

Die schulpolitische Debatte der späten 1950er-Jahre und der 1960er-Jahre war geprägt von Strukturfragen. Diese betrafen neben der Lehrerausbildung ganz besonders die ländlichen Volksschulen. Die Schülerzahlen gingen infolge geringerer Geburtenraten deutlich zurück, es entwickelte sich eine erhebliche Landflucht, hinzu kam ein eklatanter Lehrermangel. Diese Entwicklungen führten zwangsläufig zu der Frage nach einer Schulreform, weg von der Dorf- und Zwergschule, hin zu Verbandsschulen, die auch den gestiegenen Leistungsanforderungen der sich rasch entwickelnden Industriegesellschaft genügen sollten.

Die Zusammenlegung bzw. Auflösung von Dorfschulen vollzog sich zunächst nur in kleinen Schritten, zu groß war der Widerstand der Eltern, aber auch der betroffenen Orte und Gemeinden, die ihre eigene Schule unbedingt erhalten wollten. Der Widerstand wurde aber von Jahr zu Jahr geringer. Die konfessionelle Mischung, aber vor allem auch der generelle Rückgang religiöser Bindungen wirkten gegen die Bekenntnisschule. Mit der Errichtung von Unterstufen- und Oberstufenverbandsschulen ab dem Jahr 1965/66 machte Kultusminister Ludwig Huber erste Schritte in Richtung Gemeinschaftsschule.

Die Bildung von Verbandsschulen, d.h. die Zusammenlegung von Bekenntnisschulen, warf aber wiederum eine ganze Reihe von Problemen auf, die sich zuspitzten, als die Zusammenlegung bekenntnisungleicher Bekenntnisschulen im Raum stand. Jetzt waren nicht nur praktische Themen wie die Raumfrage oder die Schülerbeförderung zu lösen. Hinzu kam die rechtliche Problematik, wie mit der konfessionellen Homogenität der Lehrerschaft umgegangen werden sollte. Auch ging es um die Klärung zahlreicher weiterer juristischer Probleme, da die konfessionelle Trennung der Schulen im Konkordat von 1924 und auch im Vertrag mit der evangelischen Kirche festgelegt war. Zudem war die Bekenntnisschule als Regelschule in Art. 135 der Bayerischen Verfassung verankert.

Schulpolitische Auseinandersetzungen und Volksentscheid 1968

Das Volksschulgesetz vom 17. November 1966, das gegen den hartnäckigen Widerstand von SPD und FDP erneut die Bekenntnisschule als Regelschule festschrieb, führte zu insgesamt drei Volksbegehren, von denen die beiden von SPD/FDP und der CSU erfolgreich waren. Um zwei Volksentscheide zu vermeiden und den Schulfrieden wiederherzustellen, verständigte sich der damalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß mit Volkmar Gabert (SPD) ohne Einbeziehung des Bayerischen Kabinetts, um eine Kompromisslösung der Parteien zustande zu bringen. Schließlich einigten sich die Landtagsfraktionen CSU, SPD und FDP nach langwierigen Verhandlungen, insbesondere mit der katholischen Kirche, und mit der Zustimmung der Lehrerverbände, auf einen gemeinsamen Vorschlag zu einer Verfassungsänderung. Der Bayerische Landtag billigte auf der Grundlage dieses Vorschlags am 30. April 1968 das Gesetz zur Änderung des Art. 135 der Bayerischen Verfassung. Dieser lautete nun: „Die öffentlichen Volksschulen sind gemeinsame Schulen für alle volksschulpflichtigen Kinder. In ihnen werden die Schüler nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen. Das nähere bestimmt das Volksschulgesetz“.

Die erforderliche Volksabstimmung fand am 7. Juli 1968 statt. Der neue Artikel 135 erhielt damit die auch noch heute gültige Fassung. Mit der Änderung von Konkordat und Kirchenvertrag und der Unterzeichnung der neuen Kirchenverträge am 7. Oktober 1968 wurde der Schlusspunkt unter dieses schulpolitische Kapitel gesetzt.

Literatur

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.), Lehrerinfo 2/06, 1806-2006 –Vom neuen und modernen Bayern – Schule im Spiegel der Zeit, S.11.

Monika Fenn, Schulwesen (nach 1945), publiziert am 31.1.2012; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Schulwesen_(nach_1945) (8.1.2020).

Fritz Schäffer, Bekenntnisschule, publiziert am 30.6.2006; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Bekenntnisschule (7.1.2020).

Max Liedtke (Hrsg.), Handbuch der Geschichte des Bayerischen Bildungswesens, Band III: Geschichte der Schule in Bayern von 1918 bis 1990, Bad Heilbrunn 1997.