Politische Farbenlehre – Imagebildung – Identifikation

Andreas Bitterhof
Stefan Obermeier

 

Wahlplakate und Wahlwerbung der CSU: Politische Farbenlehre – Imagebildung – Identifikation

 

Die Wahlwerbung über Wahlplakate der CSU professionalisierte sich seit der Nachkriegszeit stetig. Vor allem gelang die Gleichsetzung von CSU mit Bayern. Inwiefern begünstigte die Entwicklung der Plakate diesen Prozess? Welche Farben, Typografien und Slogans transportierten welche Botschaften? Und welche Plakat-Typologie entstand mit welcher Zielsetzung?

Entdeckung der Wahlplakate als Mittel der Wahlwerbung

Während Vorläufer des Plakats bereits in der Antike genutzt wurden und Plakate im heutigen Sinn ab dem 15. Jahrhundert infolge des Buchdrucks vermehrt auftraten, feierte dieses Medium im Zuge der Industrialisierung als kommerzielle Produktwerbung seinen Durchbruch. Neben der Wirtschaft erkannten nun auch Bereiche wie Kultur und Politik zunehmend die Vorteile dieses Kommunikationsmittels. Insbesondere in und seit der Weimarer Republik wurde es schließlich massenhaft für politische Zwecke eingesetzt. Plakatwerbung ist bis heute aus den Wahlkämpfen der Parteien nicht mehr wegzudenken.

Wer heutzutage an das Erscheinungsbild der CSU denkt, dem fallen automatisch Löwe und Raute sowie die Farben weiß und blau ein. Die Gleichsetzung von CSU und Bayern gelang vor allem in den 1970er-Jahren, 1979 betitelte Herbert Riehl-Heyse sein Buch mit „CSU. Die Partei, die das schöne Bayern erfunden hat“. Dieses erfolgreiche politische Design der CSU-Werbemittel entwickelte sich jedoch erst im Laufe der Jahre, Farben und Logos haben sich bis heute mehrmals stark verändert.

Wahlplakate der CSU in der Nachkriegszeit – eine Analyse

Nachdem die CSU am 8. Januar 1946 von der amerikanischen Militärregierung lizensiert worden war, standen schon kurz darauf die ersten Wahlen an. Das Plakat stellte für die neugegründete Partei eine der wenigen Möglichkeiten dar, ihre politischen Botschaften einem breiteren Publikum zu vermitteln. Angesichts der Not der Nachkriegszeit und des vorherrschenden Papiermangels wurde die gesamte Plakatfläche für politische Erläuterungen häufig in der Form eines Fließtexts und fernab gestalterischer Ambitionen genutzt.

Der für die Nachkriegszeit unausweichliche sparsame Umgang mit den knapp bemessenen Ressourcen stellte gleichzeitig auch ein inhaltliches Thema dar, das die CSU bei der Landtagswahl 1946 für ihre politische Arbeit ankündigte. Sie präsentierte sich als tatkräftige, rechtschaffene Partei und rief die Wähler dazu auf, ihr Wahlrecht verantwortungsvoll wahrzunehmen. Zugleich galt es, sichpolitisch eindeutig zu positionieren und vom politischen Gegner – Stichwort „Sozialismus“ – abzugrenzen.

In den ersten Wahlkämpfen ab 1946 verwendete die CSU diverse Farben, gerne auch ein knalliges Rot. Angesprochen wurden verschiedene gesellschaftliche Zielgruppen wie Frauen, Jugend, Arbeiter, Bauern und Vertriebene.

Auch die Personalisierung hielt schon in den ersten Jahren Einzug in die Wahlwerbung, wie das Plakat von Hans Ehard aus dem Bundestagswahlkampf 1949 verdeutlicht.

Wer Bayern liebt, wählt CSU – Slogans statt Texte

Der Trend zu Porträt-Plakaten verfestigte sich in den 1950er-Jahren. Ein Grund hierfür lag auch in der Stärke der politischen Führungspersönlichkeiten,

  • im Bund Konrad Adenauer und Ludwig Erhard,
  • im Land der Bayerische Ministerpräsident.

Hans Ehards Plakat zur Landtagswahl 1954 enthielt ein gezeichnetes Porträt des Ministerpräsidenten. Zusätzlich lieferte es mit den stilisierten Frauentürmen im Hintergrund, den dominierenden Farben weiß und blau und dem Slogan „Wer Bayern liebt, wählt CSU“ ein erstes Beispiel der bildhaften Identifikation der CSU mit Bayern.

Verstärkt berücksichtigte man in den 1950er-Jahren Erkenntnisse der kommerziellen Werbung und man begann, auf Emotionen und kurze Slogans wie „Keine Experimente!“ anstelle langer Texte zu setzen.

Das Plakat sollte in erster Linie Aufmerksamkeit und Neugierde wecken und die politische Kernbotschaft prägnant wiedergeben. Eine Professionalisierung bei der Gestaltung bewirkte zudem die modernisierte Drucktechnik. Sie erlaubte die Produktion der Wahlplakate auf dem neuesten technischen Stand.

Für eine ausführliche politische Information der Bürger wurden andere Kommunikationsmittel wie Flyer oder Wahlzeitungen genutzt. Darüber hinaus stand mit dem Fernsehen ein Medium zur Verfügung, das insbesondere ab dem Ende der 1950er-Jahre in immer mehr Haushalten anzutreffen war. Es konnte zu ausführlicheren, informativen Zwecken eingesetzt werden.

Zur Bundestagswahl 1961 setzte die CSU auf ein grün-gelbes Design. Dies stand in der Produktwerbung für Unabhängigkeit und Moderne. Erstmals wurden Gebrauchsgegenstände wie ein Sonnenschutz mit Wahlslogan und Logo, die in diesen grünen und gelben Farben gehalten waren, als Wahlwerbung verteilt.

Losgelöst von der CDU kreierte die CSU auch ihren eigenen Slogan „weiter aufwärts mit der erfolgreichen CSU“. Die Buchstabenfolge CSU stellte man in Rauten dar, was die bayerische Eigenständigkeit betonte. Dieses Rautenmotiv diente bis 1970 als Logo auf Briefköpfen. Die in den 1950er-Jahren noch beliebten gezeichneten Porträts wichen nun in den 1960er-Jahren der Fotografie.

Team ’70, der Löwe und die Raute

Einer weiter zunehmenden Professionalisierung in nahezu allen Lebensbereichen folgend beauftragten Parteien schließlich Werbeagenturen mit der Gestaltung von Wahl- und Plakatwerbung. Den Landtagswahlkampf 1970 bestritt die CSU erstmals mit der Werbeagentur Team ‘70 und entdeckte die „Leichtigkeit des Seins“.

Die Agentur Team ‘70 versuchte, der CSU ein neues Image zu geben, weg von der Honoratioren-, hin zu einer modernen Volkspartei. Mit ihren neugestalteten und innovativen Werbemitteln erregte die CSU Aufsehen. Die 1973 erschienene Broschüre „Enthüllungen über einen Freistaat“ war eine Mischung aus sachlicher Information und Unterhaltung, gepaart mit Selbstironie und Frivolität. Damit sprach sie auch junge Wähler und verstärkt großstädtische Milieus an.

Es gelang, ein unverwechselbares Erscheinungsbild zu schaffen durch

  • die Festlegung eines verbindlichen Corporate Design,
  • die konsequente Verwendung der Landesfarben auf den Werbemitteln,
  • die Entleihung von Löwe und Raute aus dem Staatswappen und ihre Integration in das Parteilogo.

Das von Gerhard M. Hotop, dem Chefgraphiker der Agentur Team ’70, kreierte Logo wurde zum ersten Mal bei der Landtagswahl 1970 verwendet. Als Zeichen der Stärke und Symbol der bayerischen Eigenständigkeit zierte der bayerische Löwe in Kombination mit der Raute seitdem die Plakate der CSU. Das Logo durchlief zwar im Laufe der Zeit einige grafische Wandlungen und verfügt nun über dezentere Farben, ist aber bis heute stilprägend für die CSU und Bestandteil ihrer Plakate.

 

Fortschritt und Tradition im Bild

Kleinste Details wurden nun dokumentiert, ausgearbeitet und gezielt eingesetzt, wie das im Landtagswahlkampf 1970 und dem Bundestagswahlkampf 1972 verwendete Porträt von Franz Josef Strauß. Das Foto zeigt den Kandidaten menschlich und sympathisch, lächelnd, mit einem dem Wähler zugeneigten Kopf. Hervorgehoben und betont ist seine blaue Augenfarbe. Mit Rekurs auf die bayerischen Landesfarben wählte man eine überwiegend weiß-blaue Gestaltung der Plakate, mit dem Ziel, das Corporate Design zu forcieren. Die gelbe Farbe wurde aus gestalterischer Tradition bewahrt, zumal sie auf blauem Hintergrund im grauen November des Bundestagswahlkampfs 1972 ein markantes Erkennungszeichen bildete. Ab 1972 ergänzte ein grüner Rand die dominierenden Farben Weiß, Blau und Gold.

Die für die Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der CSU ausnahmsweise verwendete Farbkombination aus Blau und Pink war wohl dem Zeitgeist von 1972 geschuldet.

Auch die Typografie wurde bewusst eingesetzt. So suggerierte die kursive Schreibweise von „CSU“ dem Betrachter Dynamik und Fortschritt, während die breiten Buchstaben Stabilität, Sicherheit und Stärke symbolisierten. Diese Attribute wurden sowohl dem Kandidaten Franz Josef Strauß zugeschrieben, als auch mit den Schlagworten des Wahlkampfslogans „Gegen Inflation, für Stabilität und Vernunft“ assoziiert.

Den bereits angeklungenen Spagat von Tradition und Fortschritt bei der Modernisierung des Landes versinnbildlichte die CSU auch in der politischen Werbung. Sie warb bei der Landtagswahl 1970 mit einem ihrer bis heute bekanntesten Plakate, das die Erdfunkstelle Raisting in bayerischer Kulisse neben einer kleinen Kirche zeigt. Zur erfolgreichen Imagebildung CSU = Bayern trugen diese Werbemaßnahmen und Neugestaltungen wesentlich bei.

Emotionen, Leidenschaft und Vermenschlichung

Ein Höhepunkt an Emotionalität und Personalisierung zeichnete sich im Bundestagswahlkampf 1980 ab. Erstmals stellte die CSU mit Franz Josef Strauß einen Kanzlerkandidaten, der Politik und Öffentlichkeit stark polarisierte. Verschiedene gesellschaftliche Gruppen setzten sich leidenschaftlich für Strauß oder seinen Kontrahenten Helmut Schmid ein. Vor allem außerhalb Bayerns sah sich Strauß oft mit einer feindlichen Atmosphäre konfrontiert. Legendär war die „Schlacht“ der Aufkleber pro und kontra Strauß.

Den zahlreichen Verunglimpfungen ihres Kandidaten trat die CSU mit folgender Plakataufschrift entgegen: „Vorurteile, Haß und Verteufelung machen blind. Für uns heißt der Weg in eine lebenswerte Zukunft CSU“.

Durch die gemeinsame Abbildung mit seiner Tochter Monika zielte die CSU darauf ab,

  • Frauen und Jugendliche anzusprechen,
  • ihren Einsatz für Moderne und Zukunft zu untermauern,
  • Strauß in einem menschlich-sympathischen Licht darzustellen
  • und so das Image des aggressiven und angriffslustigen Politikers abzumildern.

Zunehmend rückte nun eine bewusste Werbung um und Ansprache von Zielgruppen in den Fokus. Die menschliche Seite von Politikern vermittelte man mit ausführlichen Home Storys in Zeitschriften und mit der Abbildung von Familienangehörigen auf Plakaten und Flyern. Damit folgte man nicht zuletzt der in Nordamerika gängigen Praxis, Familienangehörige der Kandidaten in den Wahlkampf einzubinden.

Neue Farben und kreative Anpassungen – Sympathieplakate

Bei der Landtagswahl 1986 setzte die CSU Sympathieplakate ein. 40 Jahre nach Kriegsende – 37 Jahre davon hatte die CSU regiert – war man stolz auf das Erreichte und viele konnten das Leben sorgenfrei genießen, was auch die Wahlplakate zum Ausdruck brachten.

Nach der Wiedervereinigung präsentierte sich die CSU bewusst mit einem deutsch-bayerischen Farbenspiel als einzig relevante Vertreterin Bayerns in der Bundespolitik. Aus dem grünen Rand unter dem Logo wurde ein dynamischer Pinselstrich. Dieser grüne Pinselstrich untermalte von 1998 bis 2004 mit dem Slogan „Zeit für Taten“ u. a. den Bundestagswahlkampf von Edmund Stoiber 2002.Dass dabei kleinere kreative Abweichungen erlaubt waren, belegt das Heavy-Metal-Plakat der Jungen Union.

Nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2021 wagte die CSU im Bundestag auch einen farblichen Neuanfang, der sich von der CSU in Bayern deutlich unterscheidet. Bei der Klausurtagung im Februar 2022 präsentierte sie das Oppositionsprogramm „Deutschland in der Mitte halten“ in den frischen Farben Türkis und Gelb.

Markenkern der CSU und Zeitgeist

Obwohl sich das Design der Werbemittel kontinuierlich veränderte, spiegelten sie doch stets den unverwechselbaren Markenkern der CSU wider. Dieser wurde im Laufe ihrer Geschichte mitunter erweitert und angepasst, in seinen Grundzügen und Inhalten aber bis heute beibehalten. Die thematischen Botschaften formulieren den Anspruch,

  • Verantwortung zu übernehmen,
  • sich als moderne Partei der Mitte tatkräftig zu engagieren,
  • Bayern stark zu machen
  • und sich auf dieser Basis für Deutschland und Europa, für Frieden, Stabilität und Freiheit einzusetzen.

Die unterschiedlichen Akzentuierungen dieser Themen und die jeweilige Gestaltung der Werbemittel, insbesondere der Plakate ermöglichen ein Eintauchen in die entsprechende Zeit, was Plakate zu einer unterhaltsamen Quelle und einem Spiegel des Zeitgeists macht.

Literatur

  • Doris Gerstl: Wahlplakate der Spitzenkandidaten der Parteien. Die Bundestagswahlen von 1949 bis 1987, Köln [u.a.] 2020.
  • Christina Holtz-Bacha: Wahlwerbung als politische Kultur: Parteienspots im Fernsehen 1957 – 1998, Wiesbaden 2000.
  • Renate Höpfinger, Henning Rader, Rudolf Scheutle (Hrsg.): Franz Josef Strauß – Die Macht der Bilder, München 2015, darin:
  • Doris Gerstl: Die „Inszenierung“ des Franz Josef Strauß im Kanzlerwahlkampf 1980, S. 46-63.
  • Thomas Helmensdorfer: Ein Wahlkampf ist kein „beauty-contest“ – Politische Werbung von Team ’70, S. 32-45.
  • Hanns-Seidel-Stiftung (Hrsg.): Geschichte einer Volkspartei. 50 Jahre CSU, Grünwald 1995.
  • Gerd Langguth: Von der Mauerinschrift zum modernen Werbemittel. Eine kleine Geschichte der Entwicklung des politischen Plakats, in: Hans-Gert Pöttering (Hrsg.), Politik in Plakaten. Plakatgeschichte der CDU aus acht Jahrzehnten, Bonn 2015, S. 9-18.
  • Hans Zehetmair (Hrsg.): CSU plakativ: 60 Jahre gestaltete Politik [Ausstellungskatalog], München 2005.

 

Dieser Artikel wurde am 20.3.2022 auch veröffentlicht im Blog der Münchner Archive #Tagder Archive