Franz Heubl – Föderalist, Demokrat, Botschafter Bayerns

von Stefan Obermeier

Geboren im Jahr 1924 wächst Franz Heubl als Sohn eines bayerischen Beamten in einer politisch engagierten Familie in München auf. Heubls Vater ist Mitglied in der Bayerischen Volkspartei und christlicher Gewerkschafter. Er führt zu Beginn der 1930er-Jahre erfolgreich einen Prozess gegen die NSDAP, wird infolgedessen aber aus dem Staatsdienst entfernt. Als Mitglied bei den oppositionellen katholischen Georgspfadfindern St. Bonifaz tritt der Sohn, Franz Heubl, ebenfalls gegen das NS-Regime ein. Nach seinem Abitur 1943 leistet er Wehrdienst bei den Gebirgsjägern und ist Soldat im Zweiten Weltkrieg. Von den Diktatur- und Kriegserfahrungen gezeichnet schließt sich Franz Heubl im August 1945 dem mit der Gründung einer christlichen Partei befassten Kreis um den Rechtsanwalt Josef Müller an, um sich aktiv für den Freiheitsgedanken einzusetzen. Als dieser Zirkel die Gründung einer Partei bei der amerikanischen Besatzungsmacht beantragt, ist Franz Heubl eine von dreizehn Personen, die diesen Antrag unterschreibt, und damit Gründungsmitglied der CSU. Er erlebt die Diskussionen um die Ausrichtung der Partei von Anfang an unmittelbar mit und bringt sich – u.a. als erster Parteisekretär bzw. Geschäftsführer der CSU, als Gründungsmitglied und Vorstand des CSU-Bezirksverbands München sowie als stellvertretender Vorstand des JU-Landesverbands Bayern – in die Parteiarbeit mit ein. Beim Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee 1948 setzt Anton Pfeiffer, Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Leiter des Konvents und Freund der Familie Heubl, Franz Heubl als Sekretär ein. Heubl übernimmt damit v.a. organisatorische Aufgaben. Gleichzeitig erhält er aber so die Möglichkeit, der Ausarbeitung eines von Grundrechten, Föderalismus und Freiheitsgedanken geprägten Verfassungsentwurfs beizuwohnen.

Sein Studium der Rechtswissenschaften beendet Franz Heubl, der über die staatsrechtliche Entwicklung in Bayern nach 1945 promoviert, 1950 erfolgreich. Ein wichtiger Schritt in seiner politischen Karriere stellt für ihn der Einzug in den Bayerischen Landtag im Jahr 1953 dar. Zunächst als Nachrücker, ab 1958 als direkt gewählter Abgeordneter des Stimmkreises Lindau gehört er diesem bis 1990 an. Auf die Frage, welches seiner zahlreichen politischen Ämter – Heubl ist u.a. Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, stellvertretender Parteivorsitzender, Staatssekretär der Bayerischen Staatskanzlei und Präsident des Bayerischen Landtags – für ihn das spannendste und einflussreichste war, antwortet Franz Heubl 1998 mit dem Amt des Bayerischen Staatministers für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigten des Freistaates Bayern im Bund. Bezeichnend für diese von Heubl 1962 bis 1978 ausgeübte Funktion ist sein Eintreten für den Föderalismus, den er nicht zuletzt infolge seiner Kindheits-, Jugend- und Nachkriegserfahrungen ins Zentrum seines politischen Handelns sowie zahlreicher Reden und Schriften rückt.

Heubls Föderalismus-Begriff

In einem Beitrag anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Bayerischen Verfassung 1966 beschreibt Franz Heubl den Föderalismus als „ein Höchstmaß an Freiheit“. Diese Freiheit besteht für ihn darin, größtmögliche Individualität zuzulassen, was Chance und Verpflichtung zugleich beinhaltet. So definiert Heubl in einer Haushaltsrede am 19. März 1975 „Föderalismus […] als angewandtes Subsidiaritätsprinzip im Bereich des Staates. Beide bedeuten ganz einfach, dass sich der einzelne und die Glieder der Gemeinschaft zunächst selbst helfen, dass aber im Hintergrund die Hilfe der Gemeinschaft steht.“ Dieser „höherrangige Verband“ springe ein, falls „die untere Einheit [ihre Aufgaben] selbst nicht zu bewältigen vermag“ (Heubl 1966). Föderalismus und Subsidiarität „geben den Ländern und staatlichen Gemeinschaften die Chance zur Mitbestimmung gegenüber der Macht des Zentralstaates. Sie sind für den Menschen […] der Schutz gegen einen sonst erdrückenden Staat“ (Rede Heubl 1975).

Föderalismus dürfe somit nicht als „Abwehrhaltung“ gesehen werden. Vielmehr leiste er durch den Wettbewerb und die gleichzeitige Kooperation unter den Ländern einen „positiven Beitrag zur Bereicherung des gesamtstaatlichen Lebens“ (Heubl 1966).

Auch auf europäischer Ebene ist für Heubl bereits 1966 das föderalistische Prinzip unumgänglich: „Denn dieses Europa kann nur in einem föderativen Aufbau dauerhafte Gestalt gewinnen, weil nur auf diese Weise die Verschiedenartigkeiten der europäischen Völker in Geschichte, Eigenart, Begabung und Sprache erhalten und für den europäischen Zusammenschluss nutzbar gemacht werden können“ (Heubl 1966).

Bayerischer Staatminister für Bundesangelegenheiten

Als Alfons Goppel 1962 Bayerischer Ministerpräsident wird, überträgt er Franz Heubl das neu geschaffene Amt des Bayerischen Staatsministers für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigten des Freistaates Bayern. Mit der Einführung dieses Amts zielt Alfons Goppel darauf ab, der immer intensiver werdenden Diskussion um eine Föderalismusreform bis hin zu einer Abschaffung der Länder entgegenzuwirken. Franz Heubls Aufgabe besteht somit v.a. darin, für bayerische Interessen auf Bundesebene einzutreten und die Stellung Bayerns im Bund unter der Wahrung eines föderalistischen Systems zu stärken.

Als Staatsminister erlebt Franz Heubl mit Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt-Georg Kiesinger, Willy Brandt und Helmut Schmidt fünf verschiedene Bundeskanzler. Dabei bestätigt sich für Heubl aber auch, dass der Bundesstaat „die schwierigste Staatsform [ist], weil sich auf dem gleichen Staatsgebiet zwei Staatsgebilde […] die Staatsgewalt teilen müssen […]. Das stets neue Kernproblem ist die gegenständliche Abgrenzung dieser beiden Staatsgewalten und ihr Zusammenspiel bei der täglichen Arbeit in Gesetzgebung und Verwaltung“ (Heubl 1966).

Aufgrund der geographischen Lage am Rande des Eisernen Vorhangs spüre Bayern Heubl zufolge die Auswirkungen europäischer Entscheidungen meist direkt. Für Heubl ist deshalb ein regelmäßiger Austausch mit Brüssel unabdingbar. Insbesondere das gute persönliche Verhältnis zu Walter Hallstein, von 1958 bis 1967 Vorsitzender der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, erleichtert es ihm, bayerische Positionen in Brüssel geltend zu machen. Auch ein von Konrad Adenauer in Auftrag gegebenes Gutachten, in dem Heubl die Zuständigkeit abgesprochen wird, sich ohne Mandat außenpolitisch zu betätigen, hält ihn und Hallstein nicht von der gemeinsamen Interaktion ab. Im Laufe der Zeit folgen zudem weitere Ländervertreter seinem Beispiel und sein Ressort wird in „Staatsministerium für Bundesangelegenheiten und Europafragen“ umbenannt, was Heubl Recht gibt.

Prägend für seine Amtszeit als Bayerischer Minister für Bundesangelegenheiten ist darüber hinaus die 1969 verabschiedete Finanzreform, der auch innerhalb der CSU teils heftige Diskussionen vorangehen. Die Finanzreform zielt im Kern darauf ab, die Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern neu zu strukturieren. Durch bestimmte Verteilerschlüssel soll so eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland gewährleistet werden. Für diesen Zweck werden auch Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern eingeführt. Franz Heubl tritt als Vertreter der Länder vehement gegen die sich anbahnende Beschneidung der Länderkompetenzen ein und stellt sich damit zusammen mit Alfons Goppel gegen den damaligen Finanzminister Franz Josef Strauß. Zu einer gemeinsamen Linie im Sinne des kooperativen Föderalismus findet die CSU erst im Januar 1969. Dass der Bund gestärkt gegenüber den Ländern aus der Finanzreform hervorgeht, z.B. wird nun neben der Körperschaft- und Einkommensteuer auch die bisher den Ländern vorbehaltene Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern aufgeteilt, kann Heubl damit nicht verhindern. Dennoch bezeichnet er rückblickend „dieses Ringen im Verhältnis zwischen Bund und Ländern“ als „spannendes Erlebnis“ (Interview Reuß 1998).

Obwohl sich die Finanzpolitik von Franz Josef Strauß als Erfolg erweist und die Union bei der Bundestagswahl im September 1969 als stärkste Partei hervorgeht, bricht für CDU/CSU nun eine Zeit in der Opposition an. Diese bestimmt auch Franz Heubls letzte Phase als Staatsminister für Bundesangelegenheiten. Die bayerische Vertretung in Bonn entwickelt sich dabei laut Heubl zum „Kristallisationspunkt für die Opposition“ (Interview Höpfinger 1995). Zugleich unterhält er aber auch Beziehungen zu prominenten Vertretern anderer Parteien wie Helmut Schmidt oder Egon Bahr. Eine Vertretung sei schließlich auch dazu da, „politische Informationen zu sammeln: Und das geht eben nur, wenn man auch die Absichten der politisch Andersdenkenden in Erfahrung bringt“ (Interview Reuß 1998). Unter Heubls Amtsführung erfreut sich diese bayerische Botschaft mitsamt eigenem Bierkeller einer großen Popularität über die Parteigrenzen hinweg. Dies erleichtert es ihm, neben dem politischen Austausch der einer Ländervertretung obliegenden repräsentativen Funktion während seiner gesamten Amtszeit gerecht zu werden und die Vielfalt Bayerns auch in Bonner Kreisen bekannt zu machen.

Während Heubl 1978 seine Tätigkeit in Bonn beendet und Präsident des Bayerischen Landtags wird, beschreibt er diese „Scharnierfunktion“ (Interview Reuß 1998) zwischen Bayern, Bund und Europa als den Aspekt, der das Amt des Bayerischen Staatsministers für Bundesangelegenheiten so reizvoll und die insgesamt 16 Jahre währende Aufgabe so spannend gemacht habe.

Würdigung Franz Heubl

Bei seinem Amtsantritt als Staatsminister in Bonn ist Franz Heubl das jüngste Mitglied im Kabinett Goppels. Gleichzeitig ist Heubl der einzige Minister, dem Alfons Goppel während seiner gesamten Regierungszeit das gleiche Ressort anvertraut. Diese beiden Punkte unterstreichen somit Goppels Vertrauen in und seine Zufriedenheit mit Heubls Arbeit. Als Landtagspräsident gelingt es Heubl, der sich selbst als „Konsens-Mensch“ (Interview Reuß 1998) bezeichnet, trotz polarisierender Themen wie der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf oder der Kanzlerkandidatur des Bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zwischen den unterschiedlichen Parteien zu moderieren. Durch die Neustrukturierung der Verwaltung und die Einrichtung einer modernen technischen Ausstattung verbessert er überdies die Arbeitsfähigkeit des Parlaments. Auch den Dialog zwischen Bürgern und Politikern stärkt Heubl, indem er regelmäßig Sommerempfänge auf Schloss Schleißheim durchführt.

In seiner letzten politischen Funktion als Sonderbeauftragter für die Regionen Europas engagiert sich Heubl ab 1990 im Sinne seiner föderalistischen Überzeugung für die Vielfalt der Länder unter dem einenden europäischen Dach. Am 21. Dezember 2001 stirbt Franz Heubl in seiner Heimatstadt München.

Alois Glück, einer seiner Nachfolger im Amt des Landtagspräsidenten, würdigt Heubl als

„eine der prägenden Persönlichkeiten der Aufbaujahrzehnte, einen glänzenden und viel beachteten Botschafter Bayerns; einen Politiker, der seinen Glauben als Weltdienst des Christen verstand. Franz Heubl hat für die Entwicklung in Bayern und Deutschland, für Demokratie und Parlamentarismus, für die Entwicklung der CSU wichtige Impulse und Prägungen gegeben.“

(Pressemitteilung der CSU-Landtagsfraktion am 21.12.2001, in: HSS, ACSP, Z-LTF Pressemitteilung 2001 : 12)

Literatur/Quellen

Balke, Hilde: Die Präsidenten des Bayerischen Landtags von 1946 bis 1994, München 2001.

Friemberger, Claudia: Alfons Goppel. Vom Kommunalpolitiker zum Bayerischen Ministerpräsidenten (Untersuchungen und Quellen zur Zeitgeschichte, Bd. 5), München 2001.

Heubl, Franz: Die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz, in: Nach 20 Jahren. Diskussion der Bayerischen Verfassung, München 1966, S. 17-23. (ACSP, NL Elsen Franz : 6.2)

Heubl, Franz: Rede „Föderalismus – Chance für den Bürger“ vom 19.03.1975. (Druckschrift, in: ACSP, NL Jaeger S: 405)

Interviews mit Franz Heubl, geführt von
- Renate Höpfinger, in: Geschichte einer Volkspartei. 50 Jahre CSU 1945-1995, München 1995, S. 541-561.
- Werner Reuß, in: Bayerischer Rundfunk, URL: <https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/alpha-forum/franz-
   heubl-gespraech100.html>, 21.08.1998, zuletzt gesehen am 09.02.2024.

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